München – Das letzte Mal, dass sich die Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich und Polen trafen, ist eine Weile her. Im Juni 2023 lud Emmanuel Macron Olaf Scholz und Polens Staatspräsidenten Andrzej Duda nach Paris, anschließend schickte der Bundeskanzler eine deutliche Botschaft Richtung Moskau: „Geschlossenheit ist unsere Stärke.“
Neun Monate sind seitdem vergangen. In diesen aufgewühlten Zeiten ist das eine beträchtliche Spanne, die sich nicht allein mit dem Regierungswechsel in Polen und den folgenden Umwälzungen erklären lässt. Die Geschlossenheit war dann doch nicht so stark wie von Scholz beschworen, vor allem zwischen dem Bundeskanzler und Macron knirscht es unüberhörbar.
Nun kommt der Austausch wieder in Schwung. Morgen empfängt Scholz Macron und den neuen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk in Berlin. Das Treffen ist die Neuauflage des sogenannten Weimarer Dreiecks, einem Gesprächsformat zwischen Berlin, Warschau und Paris, das in den frühen Neunzigern ins Leben gerufen worden war, um die osteuropäischen Länder an EU und Nato heranzuführen und dann auch zu integrieren. Von deutscher Seite war damals, im Spätsommer 1991, Außenminister Hans-Dietrich Genscher die treibende Kraft bei der Gründung. Als Forum dreier europäischer Schwergewichte hat sich das Dreieck seitdem bewährt, aber es hat schon bessere Zeiten erlebt.
Gesprächsbedarf besteht gerade mehr als genug. Erst drei Wochen liegt die denkwürdige Ukraine-Konferenz in Paris zurück, bei der die Spannungen zwischen Macron und Scholz deutlicher denn je zutage traten. Auf der anschließenden Pressekonferenz schloss der französische Präsident die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nicht aus. Viele EU-Staaten stellten sich anschließend dagegen, aber keiner äußerte sich so schroff und unmissverständlich wie Scholz: „Um es klipp und klar zu sagen: Als deutscher Bundeskanzler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden.“
Differenzen zwischen Paris und Berlin hat es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben, der emotionale Macron und der nüchterne Scholz sind nie miteinander warm geworden. Dass beide Seiten trotz aller Animositäten nun akuten Handlungsbedarf sehen, zeigt schon ein Blick auf den Terminkalender. Macron wird morgen bereits gegen Mittag in Berlin eintreffen und sich mit Scholz zu einem längeren Gespräch zurückziehen. Erst danach wird Tusk dazustoßen.
Der Ministerpräsident hatte sich nach dem Pariser Gipfel ebenfalls gegen Bodentruppen ausgesprochen, allerdings nicht so barsch wie der Kanzler. Zudem äußerte sich sein Außenminister Radoslaw Sikorski deutlich wohlwollender. Er „begrüße“ Macrons Vorstoß: „Die Präsenz von Nato-Truppen in der Ukraine ist nicht undenkbar.“
Noch nicht sicher, aber eben auch nicht ausgeschlossen, ist morgen eine gemeinsame Pressekonferenz. Konkrete Beschlüsse in Bezug auf die Ukraine werde es wohl keine geben, hieß es im Vorfeld, aber man wolle gemeinsame Ideen entwerfen. Das wäre schon mal ein großer Fortschritt. MARC BEYER