Neue Schärfe in der AfD-Debatte

von Redaktion

VON MARC BEYER

München – Das Verfahren hat noch gar nicht richtig begonnen, da ist die Stimmung bereits am Brodeln. Noch bevor das Oberverwaltungsgericht Münster sich gestern inhaltlich der Frage auch nur annähern kann, ob die AfD und ihre Jugendorganisation Junge Alternative weiter als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft werden dürfen, will die Partei bereits die Bremse ziehen und eine Vertagung erreichen. In der Kürze der Zeit seien die im Januar eingereichten Dokumente nicht zu sichten gewesen, zudem verlange man Einsicht in diverse Gutachten. Am Ende werden alle Anträge abgelehnt. Auch die auf Befangenheit der Richter und Ablehnung des gesamten Senats.

Das dürfte nur ein Vorgeschmack sein auf die Härte der weiteren Auseinandersetzung. Der Vorsitzende Richter wirft der AfD unverhohlen Rechtsmissbrauch vor. Die Partei habe keine neuen Argumente vorgebracht, der Antrag auf Vertagung sei „offensichtlich grundlos“ gestellt.

Das Verfahren in Münster soll darüber entscheiden, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) künftig die Partei behandeln kann. Einen „Verdachtsfall“ darf es mit nachrichtendienstlichen Methoden beobachten. 2022 bestätigte das Verwaltungsgericht Köln in erster Instanz diese Einstufung durch den Verfassungsschutz ein Jahr zuvor. Zudem könnte das Bundesamt im Falle eines weiteren juristischen Erfolges noch einen Schritt weiter gehen und die Einordnung der AfD auf „gesichert extremistisch“ anheben. Womöglich schon vor den drei Landtagswahlen im Herbst in Ostdeutschland, bei denen sich die AfD Zugewinne erhofft und in Thüringen vielleicht sogar das Amt des Ministerpräsidenten. Ein entsprechendes Gutachten ist in Arbeit.

Pünktlich zum Start des Berufungsverfahrens sorgten gestern Recherchen des BR für Aufsehen, wonach die AfD im Bundestag mehr als 100 Mitarbeiter aus Organisationen beschäftigt, die von Verfassungsschutzbehörden als rechtsextrem eingestuft werden. Darunter seien Aktivisten aus dem Umfeld der „Identitären Bewegung“ ebenso wie Personen, die an Neonazi-Aufmärschen teilnahmen, oder aus dem Umfeld der Reichsbürgerbewegung. Ein Teil der Mitarbeiter sei in Verfassungsschutzberichten namentlich erwähnt. Konkret benennt der BR den früheren AfD-Abgeordneten Frank Pasemann, der 2020 wegen parteischädigenden Verhaltens und Antisemitismus aus Partei und Fraktion ausgeschlossen wurde und nun als Mitarbeiter eines Parlamentariers ein Bundestags-Büro hat.

Die AfD-Fraktion beschäftigt nach eigenen Angaben 182 Mitarbeiter (Stand Mitte Februar). Der BR stieß bei seinen Recherchen auf mehr als 500 Personen, die für die Fraktion oder für einzelne Abgeordnete tätig sind. Insgesamt stehen der Partei im Jahr über 30 Millionen Euro für Mitarbeiter zur Verfügung.

Die Erkenntnisse lösten eine neue AfD-Debatte aus, die sich sowohl um die finanziellen Zuwendungen als auch um die praktischen Auswirkungen im Bundestag dreht. Dessen Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sprach von dem Versuch, die Demokratie „von innen auszuhöhlen“. Verfassungsfeinde, die im Bundestag arbeiten, dürften nicht weiter aus Steuergeldern bezahlt werden: „Das können wir nicht einfach so laufen lassen.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will den Bericht zum Anlass nehmen, die internen Regeln für Mitarbeiter zu verschärfen. Zudem müsse „die Einbindung der AfD in rechtsextremistische Netzwerke weiter genau geprüft werden. Immer stärkere Verbindungen treten offen zutage.“

Dieser Punkt wird auch das Gericht in Münster am heutigen zweiten Verhandlungstag weiter beschäftigen. Bernd Baumann, der Parlamentarische Geschäftsführer, verschärfte bereits gestern den Ton. An dem BR-Bericht sei nichts dran. Er sei sei „Teil einer üblen Kampagne“. mit dpa

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