Belgorod/Kursk – Sie sind Russen, werden aber von der Ukraine bewaffnet: Am Dienstag sind Putin-Gegner in russische Orte nahe der ukrainischen Grenze eingerückt. Dabei sollen sie eine Ortschaft unter ihre Kontrolle gebracht haben. „Das Dorf Tjotkino in der Region Kursk wird vollständig von den russischen Befreiungskräften kontrolliert“, erklärte die Miliz „Freiheit für Russland“ im Onlinedienst Telegram. Die russische Armee habe sich aus dem Dorf zurückgezogen und schwere Waffen zurückgelassen. Demnach hat sie auch mehrere gepanzerte Fahrzeuge verloren.
In ihren Videobotschaften riefen die vermummten Kämpfer in ukrainischen Uniformen dazu auf, die Präsidentschaftswahl in Russland am kommenden Sonntag zu ignorieren. Ein Sprecher der Miliz „Freiheit für Russland“ sagte, die Kämpfe dauerten an. Laut Milizionär Alexej Baranowsky sei der Angriff auf russisches Gebiet mit Blick auf die russischen Präsidentschaftswahlen geplant worden, die von Freitag bis Sonntag stattfinden – und bei denen der erneute Sieg von Präsident Wladimir Putin von vornherein faktisch feststeht.
Das russische Verteidigungsministerium teilte hingegen mit, dass die Angriffe der Sabotagetrupps aus der Ukraine vereitelt wurden. Sie hätten in der Nacht erst grenznahe Dörfer beschossen. Dann seien sie an drei Stellen im Gebiet Belgorod mit Panzern und gepanzerten Fahrzeugen vorgerückt. Die Angriffe seien abgewehrt worden. Am Morgen sei auch der versuchte Angriff auf Tjotkino im Gebiet Kursk gescheitert. Die russischen Militärangaben waren ebenso wie die Angaben auf ukrainischer Seite nicht unabhängig überprüfbar.
Der Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Andrij Jussow, betonte, dass die Einheiten nur aus russischen Staatsbürgern bestünden. „Auf dem Gebiet der Russischen Föderation handeln sie absolut autonom, selbstständig und setzen ihr gesellschaftlich-politisches Programm um“, sagte er dem Internetportal „Ukrajinska Prawda“.
Im vergangenen Jahr hatten mehrere russische pro-ukrainische Milizen russisches Gebiet angegriffen. Im Mai und Juni 2023 gelang es „Freiheit für Russland“ und dem „Russischen Freiwilligenkorps“ nach eigenen Angaben, mehrere Siedlungen in Belgorod einzunehmen. Im März hatte sich das „Freiwilligenkorps“ zu einem Angriff auf die Grenzregion Brjansk bekannt. Russland hatte daraufhin die Ukraine mit einer Welle von Raketenangriffen überzogen.
Nun steht Russlands Grenzregion zur Ukraine wieder verstärkt unter Beschuss: Die Ukraine, die im eigenen Land an der Front schwer unter Druck steht, hatte ihre Angriffe auf Russland in den vergangenen Monaten verstärkt. Moskau meldete am Dienstag eine Serie ukrainischer Drohnenangriffe, die in der Nacht und im Laufe des Dienstags mehrere russische Grenzregionen trafen.
Getroffen wurde nach Behördenangaben unter anderem eine große Erdölraffinerie im rund 800 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernten Kstowo, einer Vorstadt von Nischni Nowgorod. In der Regionalhauptstadt Belgorod wurden das Rathaus und ein Einkaufszentrum getroffen, wie Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow mitteilte. In der Stadt Kursk, der Hauptstadt von Belgorods Nachbarregion, wurden angesichts der Angriffe bis Ende der Woche die Schulen geschlossen.
Ungeklärt ist indes der Absturz eines russischen Militärflugzeugs – zum zweiten Mal in diesem Jahr ist ein Transportflugzeug vom Typ Il-76 abgestürzt, diesmal im Gebiet Iwanowo. An Bord der Maschine seien 15 Menschen gewesen, darunter acht Besatzungsmitglieder und sieben Passagiere, teilte das Moskauer Verteidigungsministeriums mit. Zum Schicksal der Insassen war nichts bekannt.
Zuletzt war eine Il-76 im Januar über Belgorod abgestürzt. Nach russischen Angaben wurde das Flugzeug von ukrainischer Seite mit einer Rakete abgeschossen. Demnach saßen 65 ukrainische Kriegsgefangene auf dem Transport zum Austausch in der Maschine und wurden getötet.