VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER
Die Debatte um den Taurus, diese Vielleicht-Wunderwaffe aus Bayern, fliegt parallel auf zwei Ebenen. Fachlich hat der Bundeskanzler schlicht Recht, zwei Bedenken vorzutragen: Die Ukraine sollte keine deutsche Waffe unbeschränkt in die Hände bekommen, die Moskau erreichen kann. Und deutsche Soldaten dürfen nicht in der Ukraine eingesetzt sein, um Kriegsgerät zu bedienen, zu steuern, zu limitieren. Fachlich ist umstritten, wie diese beiden Bedenken ausgeräumt werden können. Solange das so ist, handelt Scholz im deutschen Interesse mit seinem vorsichtigen Kurs – so viele Abgeordnete auch murren, so groß der Druck der Union auch werden mag.
Wo Scholz die redliche Linie verlässt: Er betreibt den Plan, die Sachfrage Taurus zum Wahlkampfschlager für sich umzudichten, sich zum Friedenskanzler zu stilisieren und alle anderen zu Kriegstreibern. Für eine Koalition, die innenpolitisch wirklich fast alles vermurkst hat, sogar Zwergthemen wie das Cannabis-Gesetz, ist es verlockend, wenn sie in einer Leitfrage der Außenpolitik mal die Mehrheitsmeinung trifft. In der Realität ist das aber gefährlich: Wenn die Ukraine wegen verdörrender Solidarität des ermüdeten Westens den Krieg verliert, von Putin überrannt und niedergemetzelt wird, ist das für den Frieden in Europa eine ebenso große Bedrohung. Der Wahlkampf-Scholz und der naiv-träumerische linke Flügel der SPD blenden das lieber aus. Das wäre folgenschwer, denn Deutschland ist in Europa – übrigens ein ehrliches Verdienst von Scholz’ und seiner Ampel – Taktgeber der Ukraine-Hilfe geworden. Ein Politiker, der das parteitaktischen Vorteilen opfert, ist kein Staatsmann.
Christian.Deutschlaender@ovb.net