Inzwischen sind wir an einem Punkt angekommen, da werden auch Katzen-Videos und Tanz-Choreos politisch. In den USA herrscht bei Republikanern und Demokraten eine seltene Einigkeit darüber, die Plattform TikTok zu verbannen, sollte der chinesische Besitzer Bytedance sie nicht verkaufen. Sollte das Gesetz vom Senat und Präsident Joe Biden angenommen werden, wäre das ein radikaler Einschnitt in die Freiheitsrechte der Amerikaner. Angesichts der Spionage- und Desinformationsattacken aus China könnte dieser Schritt aber nötig sein.
Bei der Debatte um TikTok geht es längst nicht mehr nur um den Schutz von Jugendlichen, sondern um weitreichende nationale Sicherheitsinteressen. Mehr als die Hälfte der US-Amerikaner nutzen die Plattform. Auch in Deutschland liegt die Zahl der Nutzer bei rund 20 Millionen. Auch wenn Bytedance betont, keine Daten an die Regierung zu übermitteln – wenn doch, wäre das Netzwerk ein Einfallstor für chinesische Geheimdienste, um nicht nur Informationen abzugreifen, sondern auch Wahlen zu beeinflussen. Sollte das TikTok-Verbot kommen, muss die US-Regierung einkalkulieren, dass sich nicht nur die Regierungen, sondern auch die Bürger in Ost und West weiter voneinander entfernen. In China und Russland sind US-Plattformen wie Facebook und Instagram bereits verbannt. Misstrauen herrscht eben auf beiden Seiten. Und angesichts der Weltlage wird das auch erst mal so bleiben.
Kathrin.Braun@ovb.net