Berlin – Der Bundestag hat die sofortige Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine erneut mit großer Mehrheit abgelehnt. Ein Antrag der Union, das weitreichende Waffensystem „unverzüglich“ weiterzugeben, fand nach einer hart geführten Debatte keine Mehrheit.
Es knirscht allerdings immer lauter in der Ampel wegen der Frage, ob Deutschland das Waffensystem dem von Russland angegriffenen Land zur Verfügung stellen sollte oder nicht. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verteidigte das wiederholte Nein von Kanzler Olaf Scholz (SPD): „Zeitenwenden sind nichts für politische Spielernaturen. Gebraucht wird Verstand, Besonnenheit und Klarheit“, sagte Mützenich.
An der Abstimmung beteiligten sich 687 der 735 Abgeordneten. Gegen die Lieferung stimmten 494 Parlamentarier, 188 waren dafür, es gab fünf Enthaltungen. Die Unionsfraktion zählt 197 Abgeordnete, von denen acht nicht an der Abstimmung teilnahmen. Die drei Unionsabgeordneten Mario Czaja (CDU), Jens Koeppen (CDU) und Emmi Zeulner (CSU) stimmten gegen den Antrag ihrer Fraktion, drei weitere Unionsabgeordnete enthielten sich. Dafür votierten auch die FDP-Abgeordneten Wolfgang Kubicki und Marie-Agnes Strack-Zimmermann. SPD und Grüne stimmten geschlossen dagegen.
Eine Gruppe von Grünen-Abgeordneten forderte aber in einer persönlichen Erklärung eine Lieferung des Waffensystems. In dem knapp dreiseitigen Papier wird die Lieferung europäischer und amerikanischer Marschflugkörper begrüßt. Weiter heißt es: „Die Sonderausschusssitzung des Verteidigungsausschusses am 11.03.2024 bestärkt uns in der Überzeugung, dass auch Deutschland diese Fähigkeiten mit dem Marschflugkörper Taurus zur Verfügung stellen kann und sollte.“ Unterstützt wird auch die Möglichkeit eines Ringtausches mit Großbritannien.
Die Union warb vehement dafür, der Ukraine mit der Lieferung der Marschflugkörper in ihrem Abwehrkampf zu helfen. Es brauche Entschlossenheit und Klarheit in der Unterstützung der Ukraine, sagte Fraktionsvize Johann Wadephul (CDU). Das von SPD und Scholz immer wieder vorgebrachte Argument, mit einem Nein zur Lieferung Besonnenheit zu zeigen, ließ Wadephul nicht gelten: „Ihre vermeintliche Besonnenheit hat Herrn Putin immer nur wieder befeuert in seiner Aggression gegen die Ukraine. Das ist das Resultat.“
Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Agnieszka Brugger, befürwortete die Forderung der Union im Grundsatz: „Die drängendste Frage ist in der Tat die Munition, aber auch weitreichende Waffen wie Taurus.“ Es brauche beides. „Auch Zögern und Zaudern kann am Ende zur Eskalation beitragen.“ Brugger ging ebenfalls auf das Argument der Besonnenheit ein und betonte, die Grünen würden alle Risiken abwägen. „Wir sind uns alle der Tragweite dieser Entscheidung bewusst. Und das lassen wir uns als Grüne von niemandem absprechen, auch nicht vom Bundeskanzler.“
FDP-Verteidigungspolitiker Alexander Müller betonte: „Wir wollen die Ukraine unterstützen mit allem, was wir haben, mit allem, was sie braucht, mit allem, was wir abgeben können. Ja, aus unserer Sicht, aus Sicht der Freien Demokraten gehört der Taurus dazu.“ Gegen Putin helfe nur Einigkeit und „klare Kante“. C. HOFFMANN / U. STEINKUHL