Es ist ein beispielloser Vorgang, wenn der Senats-Chef der US-Regierungspartei einen Regimewechsel in einem befreundeten Staat fordert. Chuck Schumers Attacke auf Benjamin Netanjahu zeigt, wie groß der Frust in Washington über Israels Rache-Kurs ist, der viel zu wenig die Zeit nach einem Sieg über die Hamas im Blick hat. Schon gleich nach dem beispiellosen Hamas-Terror vom 7. Oktober hatte Joe Biden in einer bemerkenswerten Rede die Israelis gewarnt, nicht den Fehler der USA nach den Anschlägen auf das World Trade Center zu wiederholen und sich von „Wut verzehren“ zu lassen.
Die nach 9/11 folgenden Kriege in Afghanistan und dem Irak haben die Welt definitiv nicht besser gemacht. So berechtigt die Wut der US-Amerikaner damals war und die der Israelis heute ist: Damit der Nahe Osten nach einem Sieg über die Hamas friedlicher wird, braucht es mehr als einen militärischen Erfolg. Ohne humanitäre Hilfe und einen Plan für die Zukunft der Palästinenser wird auch Israel nicht zur Ruhe kommen. Netanjahu, da hat Schumer (der selbst Jude ist) Recht, stellt sein politisches Überleben über die Interessen Israels. Vor dem Hamas-Terror waren die Tage des Premiers gezählt – den Krieg im Gazastreifen sieht das politische Stehauf-Männchen auch als Chance, seine Macht zu retten. Schon wahr, dass auch Schumer und Biden die muslimischen US-Wähler im Blick haben. Aber die Enttäuschung über Netanjahu, der US-Waffen gern nimmt, US-Ratschläge aber ignoriert, ist echt und mehr als Wahl-Taktik.
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