Von außen betrachtet wirken die Scheinwahlen in Russland wie ein bizarres Theater: Ein Diktator, der eine Demokratie zu imitieren versucht, völlig chancenlose Statisten als Gegenkandidaten engagiert, mehr als 100 Millionen Menschen in elf Zeitzonen zur Urne ruft – und dieses Spiel ganze drei Tage lang durchzieht. Ein absurder Aufwand für eine Pseudo-Wahl, deren Sieger schon lange feststeht. Doch es geht hier nicht nur darum, den Anschein von Legitimität zu wahren. Tatsächlich ist diese Wahl für Putin ein wichtiger Stimmungstest – denn auch er hat Hoffnung, sie ohne Betrug gewinnen zu können.
Der Kreml-Chef weiß, dass Wahlmanipulation Grenzen hat. Er hat bereits ein Trauma von den Parlamentswahlen 2011: Damals kam es zu den größten Protesten seit Ende der Sowjetunion, nachdem über massive Wahlfälschungen berichtet wurde. Auch im Nachbarland Belarus war die Zustimmung für Lukaschenko 2020 so gering, dass man ihm das Resultat einfach nicht mehr abkaufte – er kann sich nur noch mit Gewalt an der Macht halten.
Putin will solche Zustände unbedingt vermeiden. Deshalb wurden ernst zu nehmende Gegner wie Nadeschdin gar nicht erst zur Wahl zugelassen. Nawalny hat er als Unruhestifter vorsichtshalber ganz beseitigt. Dass sich Putin keine Risikofaktoren erlauben kann, entlarvt seine Nervosität: Die Unterstützung seines Volkes ist für ihn nicht mehr selbstverständlich. Ob diese Angst berechtigt ist? Für die Außenwelt bleibt das erst mal undurchsichtig.
Kathrin.Braun@ovb.net