Wie die Prüfer nun Söder pieksen

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Es gibt sogar in Bayerns Politik Jubiläen, an die niemand so gern erinnert werden mag. In diesen Tagen wäre zum Beispiel der vierte Jahrestag des allerersten Corona-Lockdowns im Freistaat. Feierstunden der Staatsregierung sind eher nicht zu erwarten, zu froh sind alle Beteiligten, die schweren Entscheidungen und tiefen Kontroversen jener Monate einigermaßen hinter sich gelassen zu haben. Ausgerechnet jetzt kommt allerdings die Abrechnung. Und zwar vom Obersten Rechnungshof.

Der ORH, eine strikt unabhängige Behörde, stellt die „Lehren aus der Pandemie“ in den Mittelpunkt des Jahresberichts, der heute vorgestellt wird und unserer Zeitung bereits vorliegt. Die Prüfer enthalten sich des Rückblicks, welche Detailmaßnahme wann wie angebracht war – aber sie gehen scharf mit dem Finanzgebaren ins Gericht. Tenor: Millionen wurden eilig und ohne echte Kontrolle rausgeblasen.

Unter anderem legt der Bericht offen, wie teuer die (in der Not aus dem Boden gestampften) Impfzentren am Ende wurden. 1,4 Milliarden Euro für den Freistaat, zur Hälfte erstattet vom Bund – oder, je nach Zentrum aufgeschlüsselt, 39 bis 317 Euro pro Impfung, im Schnitt exakt 101,38 Euro. Zwei von drei Trägern der Impfzentren, darunter die teuersten, versäumten laut Rechnungshof, die Aufträge regelmäßig neu auszuschreiben und billigere Angebote einzuholen.

Das Gesundheitsministerium erinnert in seiner Replik an die Lage. Es habe „enormer Druck“ geherrscht, um „schnelle und unbürokratische Entscheidungen zum Schutz von Leib und Leben“ zu treffen. Die Landkreise seien kaum vergleichbar, in manchen habe es zwei Zentren gebraucht. Alles so zu planen, wie der ORH will, hätte das Impf-Tempo gehemmt. Das Fazit der Prüfer, aus dem Amtsdeutsch übersetzt: Dann lernt für nächstes Mal dringend etwas draus.

Das gilt auch für andere Corona-Ausgaben. Die 95,6 Millionen Euro für die Kultur zum Beispiel seien weitgehend lax geprüft und ohne Erfolgskontrolle ausgegeben worden. Stichproben bei den Geldern für Soloselbstständige ergaben: „In Einzelfällen“ ist unklar, ob die Empfänger wirklich Künstler waren. Dafür floss an 19 Antragssteller Geld, die mehr als 10 000 Euro pro Monat verdienten, einer mehr als 40 000 Euro. Rückblickend steht noch eine Abrechnung an, es dürften Gelder zurückfließen. Der Rechnungshof rügt namentlich das Wissenschaftsministerium wegen des fehlenden einheitlichen Vollzugs.

In der Landespolitik dürfte es schillernde Ansichten dazu geben, ob all die ORH-Anmerkungen nun nachgelagerte Gscheidhafelei sind – oder berechtigt oder beides. Insgesamt fällt aber auf: Der Rechnungshof ist keinesfalls zahmer geworden. Es ist ja der erste Bericht, den die neue Präsidentin Heidrun Piwernetz verantwortet. Die Juristin, übrigens die erste Frau auf diesem Posten in 212 Jahren, durchlief als Karrierebeamtin etliche Häuser, darunter Innenministerium und Staatskanzlei. Gefügig machte sie das nicht, und jetzt ist sie weisungsunabhängig. Den Kurs, der Staatsregierung auch Unbequemes öffentlich mitzuteilen, setzt sie fort.

Das gilt auch für ihre Mahnung, der Finanzminister solle „geplante Ausgaben wieder verstärkt an geplanten Einnahmen orientieren, ohne eine Entnahme aus der Rücklage vorzusehen“. Pikant: Den neuen Etat plant der Staat mit einem Milliarden-Griff in die Reserve. Der ORH kritisiert zudem, dass Bayern seine Schulden (auch bei Corona) zu langsam abbaue. Minister Albert Füracker (CSU) kontert mit Verweis auf die Krise. „Wir bilden und verwenden unsere Rücklage, um in Krisenzeiten wichtige Zukunftsinvestitionen zu tätigen“ und die Folgen abzufedern.

Die Detail-Mängel auf den 334 Seiten klingen heuer weniger spektakulär, summieren sich aber. Dass der Handel mit Kryptowährungen zu oft an der Steuer vorbeiläuft, dürfte Bayern mindestens 150 Millionen Euro kosten. Hunderte Millionen Schaden entstehe durch nach wie vor schlechte Verwaltung der staatlichen Immobilien.

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