Eines muss man Karl Lauterbach lassen: Er packt viele Reformen an, die seine Vorgänger sträflich vernachlässigt haben. So wird die Aufwertung des Pflegeberufs auch durch Ausweitung der Kompetenzen schon lange diskutiert – gut, dass jetzt endlich ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht wird. Denn es ist frustrierend für Altenpfleger, wenn sie einen wund gelegenen Heimbewohner nicht entsprechend versorgen dürfen, bloß weil sie laut Gesetz erst auf einen Arzt warten müssen. Erfahrene Pflegekräfte können mehr als sie dürfen – und angesichts der schlechten Personalsituation im Pflege-Bereich sollte hier auf ärztliche Eitelkeiten keine Rücksicht genommen werden.
Ob jedoch die Rechnung Lauterbachs aufgeht, dass dank Kompetenzerweiterung mehr Menschen den Pflegeberuf wählen, darf bezweifelt werden. Zumal mehr Befugnisse auch zusätzliche Verantwortung bedeuten. Damit sind wir beim Hauptproblem der Pflegemisere: Besser ausgebildete Fachkräfte, die teils den Job von Ärzten übernehmen, müssen auch besser bezahlt werden. Schon die letzten Pflege-Lohnerhöhungen sind mitverantwortlich für Kostensteigerungen, die Heimbetreuung zunehmend unbezahlbar machen. Eine staatliche Vollkasko-Pflegeversicherung wäre eine Lösung – aber vor dieser Mammut-Aufgabe, die hohe Sozialbeiträge bedeuten würde, schreckt auch ein Karl Lauterbach zurück.
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