Die Jagd auf Putins Milliarden

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER, KLAUS RIMPEL U. KATHRIN BRAUN

München/Brüssel – Die Sache mit der Luxusjacht zum Beispiel klingt so schön, aber sie macht dem Staat Kummer. Vor fast zwei Jahren haben US-Behörden die „Amadea“ festgesetzt. Das Protzboot eines Putin-Vertrauten, wohl umgerechnet 210 Millionen Euro wert, wurde wegen der internationalen Sanktionen gegen Oligarchen eingezogen. Seither liegt die Jacht im Hafen von San Diego. Aber kostet jeden Monat 850 000 Euro an Unterhalt, Versicherung und Gebühren. So viel, dass der Staat die „Amadea“ nun loswerden will. Und verzweifelt Käufer sucht.

Was tun mit eingefrorenen Werten aus Russland? Diese luxuriös klingende Sorge beschäftigt inzwischen Regierungen in aller Welt. In Europa kommt in diese Frage nun nach langer Debatte etwas Bewegung. Die EU will sich darauf verständigen, einen Teil der rund 200 Milliarden Euro an russischen Vermögenswerten anzutasten, die auf Konten vor allem in Belgien eingefroren sind. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell ließ gestern einen Plan vorlegen, um 97 Prozent der Zinsen für Waffen- und Munitionskäufe für die Ukraine zu nutzen. Damit könnten allein heuer bis zu drei Milliarden Euro abgeschöpft werden, wenn die Mitgliedsländer zustimmten. Davon sollen neun Zehntel in Militärhilfen für die Ukraine fließen, der Rest über einen EU-Topf in die Verteidigungsindustrie des Landes.

Die Idee wird vor allem in der Ukraine propagiert. Tenor: Die Russen sollen dafür zahlen, dass sie unsere Infrastruktur zerbombt haben. Der Bedarf ist enorm. Die Weltbank bezifferte im vergangenen Jahr die Wiederaufbau-Kosten mit weit über 370 Milliarden Euro. Sie sei vorsichtig optimistisch, bis Juni eine EU-Entscheidung zu haben, sagte unlängst Vize-Justizministerin Iryna Mudra in Interviews. „Die eingefrorenen Vermögenswerte des Aggressorstaates und sanktionierter Personen sollten Grundlage für Entschädigungszahlungen sein. Noch vor einem Jahr schien dies für viele Experten unmöglich, heute wird es Realität.“

Wird es das? Juristisch ist ein Zugriff zumindest auf die vollständigen Anlagen sehr, sehr wacklig – es wäre ein Präzedenzfall und würde womöglich das Vertrauen in die internationalen Finanzmärkte erschüttern. Unter anderem die Europäische Zentralbank warnt, internationale Anleger könnten aus Europa flüchten, wenn willkürlich Vermögen eingezogen würden. „Furchtbar kompliziert“ sei das, sagte 2023 sogar Kanzler Olaf Scholz. Bei den 4,4 Milliarden Euro Zinsen (letztes Jahr) könnte die Lage einfacher sein, bestätigt er auch selbst.

Politisch gibt es dafür offene Unterstützer. „Putin-Russland greift sehr gezielt die Infrastruktur und zivile Einrichtungen an und terrorisiert die Bevölkerung. Russland als Kriegsverursacher muss auch den Wiederaufbau finanzieren“, sagt Manfred Weber, Vize-Chef der CSU und Vorsitzender der EVP in Europa, unserer Zeitung. „Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.“ Weber will prüfen lassen, ob eine Beschlagnahmung eingefrorener russischer Vermögen nach internationalem Recht möglich ist. Wenn nicht, „dann müssen zumindest die Zinsen abgeschöpft werden. Putin-Russland muss zahlen“. Weber hält es auch für richtig, zumindest die Zinsen für Waffen- und Munitionskäufe für die Ukraine einzusetzen.

Aus Russland kommt bereits eine zornige Reaktion. Ein Kreml-Sprecher droht, die verantwortlichen Personen und Staaten müssten sich auf jahrzehntelange strafrechtliche Verfolgung einstellen. Von „Banditentum und Diebstahl“ spricht das Außenministerium und erinnert sich wenigstens an dieser Stelle ans Völkerrecht.

Von EU-Diplomaten heißt es, noch sei unklar, ob alle Mitgliedstaaten den Vorstoß unterstützen. Ungarn gilt als sehr skeptisch. Erste Gespräche auf Spitzenebene soll es heute beim EU-Frühjahrsgipfel in Brüssel geben.

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