Ohio: Wo Trumps „Blutbad“ viele nicht schert

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

Columbus – Mit langen Schritten stakst Jack Etheridge aus dem Gemeindezentrum, dabei hat er es gar nicht eilig. Die Vorwahlen in Ohio sind fast gelaufen, Zeit zum Runterfahren, aber das ist wohl nicht seine Sache. „Guten Tag“, sagt er, singt es fast, und greift sich dabei an den Cowboyhut, der etwas zu locker auf dem Kopf sitzt. Er hat gerade gewählt, als einer von 1000, die in dieses Wahllokal am Rande der Hauptstadt Columbus gehen. „Und wissen Sie was? Mit Blick auf Amerika bin ich sehr optimistisch.“

Das hört man dieser Tage nicht mehr so oft in den USA, diesem tief gespaltenen Land, in dem im Herbst so viel, womöglich alles auf dem Spiel steht: Es droht eine zweite Amtszeit Donald Trumps. Dass er bei den Vorwahlen hier in Ohio ein Top-Ergebnis einfährt, spielt zwar praktisch keine Rolle mehr, weil er als Gegner Joe Bidens längst feststeht. Andererseits kündigen seine jetzigen Siege für viele im Land ein Unheil an.

Etheridge gehört nicht dazu. Er selbst ist Republikaner und steht am Dienstag für ein parteiinternes Ehrenamt auf dem Wahlzettel, drei Monate hat er Wahlkampf gemacht. Vor allem aber ist er ein aktiver Unterstützer des Ex-Präsidenten, keiner von den aggressiven, dafür besonders enthusiastisch.

Angst um die Demokratie? Hat er nicht. „Mein Eindruck ist, dass unsere Demokratie sehr lebendig ist, dass es ihr gut geht.“ Er spricht über Inflation und das Immigrationsproblem an der Grenze zu Mexiko, beides besorgt ihn. „Trump übertreibt es vielleicht hier und da“, sagt er. „Aber ich muss einem Kandidaten ja nicht in allem zustimmen, um ihn zu unterstützen.“

Das mit dem Übertreiben ist, zurückhaltend formuliert, eine heftige Untertreibung. Trump pflügt rhetorisch unerbittlich durch den Vorwahlkampf, schreckt Verbündete im Ausland und auch viele Amerikaner. Erst am Wochenende wieder. Da trat er hier in Columbus auf, und ließ wie nebenbei fallen, dass es ein „Blutbad“ geben werde, sollte er nicht wiedergewählt werden. Auch wenn der Kontext seltsam war – er sprach gerade über Zölle auf Autoimporte – schauderte es die Liberalen im Land.

Ohio galt lange als Swing State, in dem sich die Wähler mal für die eine, mal für die andere Partei entscheiden. Inzwischen neigt der Staat im Mittleren Westen der USA eher zu den Republikanern. Trump konnte hier 2016 und 2020 klar gewinnen und hat auch im Herbst wieder gute Chancen. Er selbst würde wohl meinen, es liege einzig an ihm. Tatsächlich spielt mitunter der absurde Zuschnitt der Wahlkreise eine Rolle, der den Republikanern mathematisch einen Vorteil verschafft.

Glaubt man den Umfragen, sieht es für Trump in Ohio gut aus. Einen wie Patrick Barnacle gruselt das. Am Sonntag, zwei Tage vor der Wahl, ist der 39-Jährige in einem Wohngebiet in Columbus unterwegs, Häuserwahlkampf. Barnacle will für die Demokraten ins Repräsentantenhaus von Ohio, muss dafür bei den Primaries aber erst mal sechs interne Konkurrenten abhängen. „Ich trete an, um etwas in meiner Nachbarschaft zu verbessern“, sagt er. Die vielen Autos etwa seien ein Problem, er spreche die Leute bewusst auf lokale Themen an. Aber nicht nur.

„Im November steht unsere Demokratie auf dem Wahlzettel“, sagt Barnacle auf dem Weg durch die Nachbarschaft, auf den menschenleeren Gehwegen wirkt der Satz besonders schwer. Das mache er neben allem Lokalen immer wieder zum Thema. „Trump hat angekündigt, dass er ein Diktator sein wird. Und wenn Diktatoren an der Macht sind, dann lassen sie nicht mehr einfach so los.“

Viele Demokraten machen deshalb mobil. Selbst der progressive Senator Bernie Sanders, beileibe kein leidenschaftlicher Anhänger von Joe Biden, wirbt dieser Tage in einem Video für den Präsidenten – wenn auch eher als das kleinere Übel. Das soll der Mobilisierung der eigenen Leute dienen. Denn auch das gehört zur Wahrheit: Viele Demokraten sind von Biden enttäuscht.

Zu ihnen gehört Victoria Schruck, die am Dienstag ins gleiche Wahllokal geht wie der Republikaner Ethridge. Die 27-Jährige ist Demokratin, hat aber bei der Vorwahl ihrer Partei nicht für Biden, sondern den hiesigen Gegenkandidaten gestimmt. „Ich bin nicht zufrieden damit, wie Biden im Gaza-Krieg handelt“, sagt Schruck. Tatsächlich ist das hier oft zu hören. Gaza setzt Biden daheim in den USA zu. Auch deshalb müht er sich Stück für Stück um einen strafferen Kurs.

Lassen sich Demokraten wie Schruck bis November doch noch mobilisieren? Für Biden wird das mit entscheidend sein. Noch ist es über ein halbes Jahr bis zu Wahl.

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