Brüssel – Die Ukraine kann im Abwehrkampf gegen Russland auf neue milliardenschwere Militärhilfen der EU hoffen. Zum Auftakt eines Gipfeltreffens in Brüssel signalisierten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und andere Regierungschefs Unterstützung für Pläne, Zinserträge aus dem eingefrorenen russischen Zentralbank-Vermögen für Waffenkäufe für die Ukraine zu verwenden. Allein dieses Jahr könnten bis zu drei Milliarden Euro zusammenkommen.
Scholz sagte in Brüssel, er rechne mit Einigkeit bei dem Thema. Das Geld solle verwendet werden, um „die Waffen zu erwerben, die Munition zu erwerben, die die Ukraine für ihren Verteidigungskampf braucht“. In dem Entwurf für die Abschlusserklärung des Gipfels hieß es, die Arbeiten an dem Vorschlag der EU-Kommission und des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sollten vorangetrieben werden.
Der Kanzler drängte erneut die anderen EU-Mitgliedstaaten, noch mehr an Militärhilfe zu leisten. „Es müssen alle europäischen Staaten einen guten Beitrag leisten. Ich sehe da auch erkennbar Fortschritte“, sagte er. Er verwies erneut darauf, dass Deutschland mit gelieferten oder bereits zugesagten Waffen im Wert von 28 Milliarden Euro der größte Unterstützer der Ukraine in der EU sei.
Den Beschluss des Pariser Ukraine-Gipfels von Ende Februar, jetzt auch außerhalb der EU Waffen und Munition im großen Stil einzukaufen, bezeichnete Scholz als „großen Durchbruch“. Nach diesem Gipfel war es allerdings auch zu einem offenen Konflikt zwischen Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gekommen. Macron hatte den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine für die Zukunft nicht ausgeschlossen. Ende vergangener Woche trafen sich Scholz und Macron mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk in Berlin, um die Wogen zu glätten.
Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas warb beim EU-Gipfel für ein einheitliches Ziel für Militärhilfen. Wenn jedes Land mindestens 0,25 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Militärhilfen zur Verfügung stellen würde, könnten die Ukrainer Russland übertrumpfen, sagte sie. Eine Einigung darauf gilt derzeit allerdings als ausgeschlossen.
Nach Zahlen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) müssten Länder wie Frankreich, Italien und Spanien ihre Ausgaben extrem steigern, da sie derzeit mit einer Quote von rund 0,07 Prozent deutlich unter der 0,25-Prozent-Marke liegen. Deutschland lag demnach zuletzt bei rund 0,6 Prozent.
Den Vorschlag zur indirekten Verwendung russischer Gelder für die Ukraine hatten Borrell und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen den Regierungen der EU-Staaten am Mittwoch kurz vor dem Gipfel übermittelt. Er sieht konkret vor, dass 90 Prozent der nutzbaren Zinserträge aus der Verwahrung russischer Gelder in den EU-Fonds für die Finanzierung militärischer Ausrüstung und Ausbildung geleitet werden sollten. Die restlichen zehn Prozent würden dann in den EU-Haushalt fließen und genutzt werden, um die Verteidigungsindustrie in der Ukraine selbst zu stärken.
Nach Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in der EU eingefroren. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinseinnahmen gemacht zu haben.