Was über den Anschlag bekannt ist

von Redaktion

VON KLAUS RIMPEL UND ULF MAUDER

Moskau/München – Mindestens 137 Tote, mehr als 150 Verletzte: In Moskau standen die Menschen am Wochenende in langen Warteschlangen, um Blut für die Verletzten zu spenden. Trauernde legten Blumen vor dem Konzertsaal ab. Russland steht unter Schock. Und trotzdem dauerte es ganze 19 Stunden, ehe sich Wladimir Putin äußerte. Es ist ein Anschlag, der viele Fragen aufwirft.

Wer ist für die Tat verantwortlich?

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat nach eigenen Angaben elf Verdächtige festgenommen, darunter auch vier mutmaßlich direkt an der Tat beteiligte Schützen. Die vier Männer wurden auf der Flucht festgenommenen und sollen laut russischen Medien aus Tadschikistan stammen. Zwei der Verdächtigen wurden am Sonntag einem Gericht vorgeführt und formell der Beteiligung an einem terroristischen Angriff beschuldigt.

Die Terrormiliz Islamischer Staat reklamiert das Verbrechen für sich: Passend dazu gibt es ein Bekennerschreiben des Islamischen Staats Provinz Khorasan (ISPK) (siehe oben): „Der Anschlag wurde von vier IS-Kämpfern verübt“ – als Teil des „natürlichen Kontextes des tobenden Krieges“ mit den „Ländern, die den Islam bekämpfen“. Als Beweis verbreitete der ISPK ein Video, das mutmaßlich von den Angreifern gedreht wurde. Zu sehen sind darauf mehrere mit Sturmgewehren und Messern Bewaffnete, die offenbar in der Eingangshalle der Crocus City Hall Schüsse abfeuern.Unter Folter soll einer der Täter gestanden haben, Unbekannte hätten ihm eine Million Rubel (etwa 10 000 Euro) für die Tat versprochen. Wladimir Putin behauptet, die Spuren führten in die Ukraine. Kiew bestreitet das vehement.

Was geschah nach dem Attentat?

Nachdem die Terroristen das Feuer eröffneten, legten sie in der Konzerthalle Feuer. Insgesamt sollen sich die vier direkt beteiligten Schützen keine halbe Stunde im Gebäude aufgehalten haben. Danach konnten die Täter mit dem Auto fliehen. Der Wagen wurde nach offiziellen Angaben im Gebiet Brjansk bei einer Verfolgungsjagd gestoppt. Putin erklärte, die Terroristen hätten „sich in Richtung Ukraine bewegt, wo für sie ein Fenster für einen Grenzübertritt vorbereitet worden war“. Der ukrainische Militärgeheimdienst wies darauf hin, dass die fast 900 Kilometer von Moskau entfernte Grenze seit Langem vermint sei.

Warum ignorierte Putin die US-Terrorwarnung?

Erst vor zwei Wochen hatte der russische Inlandsgeheimdienst FSB erklärt, er habe einen Anschlag von ISPK auf eine Moskauer Synagoge vereitelt. Ebenfalls vor zwei Wochen warnte die US-Regierung konkret davor, dass „Extremisten unmittelbar bevorstehende Pläne haben, große Versammlungen in Moskau, einschließlich Konzerte, ins Visier zu nehmen“. Das Weiße Haus erklärte, die USA hätten diese Informationen mit den russischen Behörden geteilt. Putin spottete öffentlich über die Terrorwarnung: Dies sei US-Propaganda, mit der russische Bürger geängstigt werden sollen.

Welche Folgen könnte der Terror haben?

Putin nutzte die Sprengstoffanschläge auf Wohnhäuser in Moskau 1999 mit 367 Toten als Anlass für den zweiten Tschetschenienkrieg. Eine von dem Duma-Abgeordneten Sergej Kowaljow 2002 initiierte Untersuchung kam zum Ergebnis, dass nicht tschetschenische Terroristen, sondern der FSB hinter den Anschlägen stünde. Befürchtet wird, dass Putin den Terror nun als Anlass für eine neue Mobilmachung nutzen könnte. Die angebliche „Spur nach Kiew“ lenkt zudem vom Versagen der Sicherheitsdienste ab.

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