Putins Rache für den Terror

von Redaktion

VON KLAUS RIMPEL

Moskau – Sie sind von Prügeln gezeichnet, ihre Gesichter voller Blutergüsse: Die russischen Sicherheitskräfte haben die vier mutmaßlichen Attentäter von Krasnogorsk gefoltert und gequält.

Auf dem Nachrichtenportal Telegram kursieren Videos, die zeigen, wie einer der Festgenommenen in einem Waldgelände festgehalten und zu Boden gedrückt wird. Dann schneidet ihm ein Mann in Tarnkleidung einen Teil des rechten Ohrs ab und steckt ihm das blutige Körperteil anschließend in den Mund – offenbar will er ihn zwingen, das Ohr zu essen.

Die vier Verdächtigen wurden von Brjansk (Südrussland), wo sie festgenommen wurden, in einer streng gesicherten Wagenkolonne nach Moskau gebracht. Dort wurden sie gestern den Haftrichtern vorgeführt – in Glaskäfigen sitzend.

Der Verdächtige, dem offenbar das Ohr abgeschnitten wurde, trug einen wenig fachmännischen, blutigen Verband am Kopf. Ein zweiter mutmaßlicher Täter lag scheinbar bewusstlos in einem Rollstuhl. Er musste mit einem Gurt am Bauch fixiert werden, auch ein Katheter am Bauch war zu sehen.

Die Anhörung der 19, 20, 30 und 32 Jahre alten Männer fand hinter verschlossenen Türen statt, wie die russische Staatsagentur „Tass“ berichtete. Der Terrorverdächtige im Krankenstuhl, der den Anschlag gefilmt haben soll, hatte demnach „Schwierigkeiten zu sprechen“.

Das Ermittlungskomitee wirft ihnen einen gemeinschaftlich verübten tödlichen Terroranschlag vor. 139 Menschen starben, 97 weitere Terror-Opfer liegen noch immer im Krankenhaus.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte zu den Folter-Vorwürfen nur: „Ich werde diese Frage unbeantwortet lassen.“ Einer der russischen Oppositionellen im Exil, Leonid Wolkow, erklärte, mit der Veröffentlichung dieser Videos versuchten die Sicherheitskräfte von ihrer „Machtlosigkeit“ und ihrem „Scheitern“ abzulenken. Tatsächlich kommt das brutale Vorgehen bei weiten Teilen der über den Terror empörten Bevölkerung gut an.

Von den vier Verdächtigen bekannten sich nach Gerichtsangaben zwei schuldig – was genau sie gestanden haben, ist aber unbekannt.

Der Kreml äußert sich erst am Montagabend zum Bekenntnis der Terror-Miliz Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK), hinter dem Anschlag auf den Konzertsaal in Krasnogorsk bei Moskau zu stehen. „Wir wissen, dass das Verbrechen von radikalen Islamisten begangen wurde, deren Ideologie die islamische Welt selbst seit Jahrhunderten bekämpft“, sagte Kremlchef Wladimir Putin.

Damit wich Putin von seiner ursprünglichen Linie ab, in der er eine „ukrainische Spur“ hinter der Bluttat vermutet hatte. Dennoch sollte geklärt werden, warum die Terroristen nach der Bluttat in die Ukraine entkommen wollten. „Und wer sie dort erwartet hatte“, fügte er hinzu. Die USA warnten vor „Propaganda des Kremls“.

Der IS-Propagandakanal Amak veröffentlichte als angeblichen Beweis ein Video, das die Attentäter am Anschlagsort zeigen soll. Zudem wurde ein Bild der Attentäter mit unkenntlich gemachten Gesichtern gezeigt.

Sichtlich erschütterte Russen strömen zum Tatort, der Crocus City Hall. Auch die Mitglieder der populären Rockband Piknik, die am Freitag in der Halle hätte auftreten sollen, legten Blumen nieder. „Diese Gräueltat ist eine sinnlose, unvorstellbare Grausamkeit“, sagte Bandleader Edmund Schkljarski. Unter den Toten sei auch eine der Band-Assistentinnen.

Artikel 2 von 11