Wir Wähler neigen zunehmend dazu, Politiker als Maschinen zu begreifen, die Talkshow-Statements und Service ausspucken. Und wenn die Meinung oder die Leistung nicht passt, wird in den Sozialen Medien gnadenlos abgerechnet mit den „Versagern da oben“. Dass Politik von Menschen gemacht wird, die mit ihren Überzeugungen auch mal hadern, die Beschimpfungen oder gar Morddrohungen nicht einfach abschütteln können, das wird nur in seltenen Momenten deutlich – etwa dann, wenn sich Spitzenpolitiker zu ihrem Burn-out bekennen, so wie es Michael Roth im Sommer 2022 getan hatte.
Nun will der SPD-Außenpolitiker sich ganz aus der Politik zurückziehen. Und die Worte, mit denen er das in einem „Stern“-Interview begründet, machen betroffen: „Spitzenpolitiker müssen heute jeden Tag einfach nur überleben“, sagt er. Und: Ein Willy Brandt würde heute nicht mehr Kanzler werden können. Das heißt: Ganz nach oben schaffen es nur noch abgehobene Karrieristen oder gegen alle Selbstzweifel abgehärtete Ideologen.
Aber Roths Ausstieg entlarvt auch, wie weit die SPD mittlerweile von der einstigen Volkspartei entfernt ist, in der sich Bundeswehr-Offiziere und Pazifisten gleichermaßen zu Hause fühlten. Der harte Putin-Kritiker Roth stört in einer SPD, die mit naiven Verhandlungs-Träumen kriegsmüde Wähler ködern will. Die Sozialdemokraten verzwergen sich weiter, wenn nur noch Mützenichs für deren Außenpolitik stehen. Kriegs-„Einfrierer“, die das Leid der Ukrainer ausblenden und nicht verstehen, dass dort auch um unsere eigene Sicherheit gekämpft wird.
Klaus.Rimpel@ovb.net