DIRK WALTER
Endlich! Die Einigung bei der Bahn ist vollbracht, nach vier Monaten können die Reisenden aufatmen. Weitere Bahnstreiks sind abgewendet. Doch der Preis ist hoch: Nüchtern betrachtet ist die Bahn der GDL viel weiter entgegengekommen als die GDL der Bahn. Die Sturheit des GDL-Bosses Weselsky hat sich tatsächlich ausgezahlt. Es kommt nun doch die 35-Stunden-Woche, die der Konzern noch Ende Februar als „unfassbar“ und absolut unannehmbar abgelehnt hatte. Auch bei der Lohnerhöhung und der Inflationsausgleichsprämie sind die GDL-Forderungen 1:1 umgesetzt worden. Einzig die lange Laufzeit des Tarifvertrags und die Aussicht, dass der nächste Tarifkonflikt bei der Bahn durch verabredete Schlichtungsmechanismen friedlicher verlaufen wird, sind Pluspunkte – nicht zuletzt für die Reisenden.
Ob die Einigung aber wirklich eine gute Nachricht für den Wirtschaftsstandort ist, wie (ausgerechnet) ein Minister der FDP frohlockt, kann man bezweifeln. Sicher, für die auf funktionierende Lieferketten angewiesene Wirtschaft ist wichtig, dass dieser Tarifkonflikt endlich endete. Doch die GDL preist die Einigung nicht zu Unrecht als Sieg und „beispielgebend auch für andere Gewerkschaften in diesem Land“. Ausgerechnet die kleine verschworene Lokführer-Gewerkschaft will ein Leuchtturm sein, dem andere folgen. Sollte dieser Appell fruchten, dann werden auch andere Branchen auf eine 35-Stunden-Woche drängen. Das könnte der Auftakt für neue zähe, teils lähmende Arbeitskämpfe sein und wäre das schwere Erbe, das Weselsky hinterlässt.
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