Von der überraschenden Niederlage der Erdogan-Partei AKP in den fünf größten türkischen Städten gehen zwei Signale für die Zukunft der Türkei aus. Erstens: Die Opposition hat eine personelle Alternative zum seit über 20 Jahren die türkische Politik beherrschenden Recep Tayyip Erdogan – und die Türkei hat einen neuen Hoffnungsträger. Wie Erdogan selbst, der seine politische Karriere 1994 als Bürgermeister von Istanbul startete, ist für Ekrem Imamoglu diese triumphale Wiederwahl das Sprungbrett zur türkischen Präsidentschaft. Eigentlich hätte Imamoglu Erdogan schon bei der Präsidentschaftswahl 2023 herausfordern wollen, doch ein politisch motiviertes Politikverbot wegen „Beleidigung der Wahlkommission“ verhinderte die Kandidatur des populärsten Oppositionskandidaten damals noch.
Das zweite Signal: Erdogan schickte einen farblosen Kandidaten für die so wichtige 15,8-Millionen-Einwohner-Metropole ins Rennen. Der 70-jährige AKP-Chef hat damit einmal mehr die Chance vertan, einen Nachfolger für sich aufzubauen. Erdogan selbst hatte angekündigt, dass dieser Kommunalwahlkampf seine letzte politische Schlacht sei. Aber bis zur nächsten Präsidentschaftswahl 2028 vergeht noch viel Zeit für viele faule Tricks der AKP. Erdogan wurde schon oft politisch für tot erklärt – er wird das Feld Imamoglu nicht kampflos hinterlassen. Auf die mit Inflation, Korruption oder dem Kurden-Konflikt kämpfende Türkei kommen spannende Zeiten zu.
Klaus.Rimpel@ovb.net