Er könnte Erdogan gefährlich werden

von Redaktion

VON FULYA OZERKAN

Istanbul – Ekrem Imamoglu mit der randlosen Brille und den häufig hochgekrempelten Hemdsärmeln gilt als redegewandte, charismatische Medienpersönlichkeit und ist einer der beliebtesten Politiker des Landes. Jetzt hat der 52-jährige Oppositionspolitiker die Bürgermeisterwahl in Istanbul bereits zum zweiten Mal gewonnen – nächster Schritt könnte eine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl in vier Jahren sein.

26 der 39 Bezirke gingen bei der Kommunalwahl in der größten Stadt der Türkei am Sonntag an Imamoglus sozialdemokratische Partei CHP. Die Wähler hätten „die Tür zu einer neuen Zukunft geöffnet“, rief er jubelnden Anhängern zu, die sich vor der Stadtverwaltung versammelten. „Ab morgen wird die Türkei eine andere sein.“

Imamoglu hatte bereits 2019 überraschend die Bürgermeisterwahl in der politisch wichtigen Metropole gewonnen und Präsident Recep Tayyip Erdogan damit eine seiner schlimmsten Wahlniederlagen zugefügt. Dessen islamisch-konservative Partei AKP hatte Istanbul 25 Jahre lang regiert. Nach seinem erneuten Erfolg hat Imamoglu

gute Chancen, Erdogan an der Staatsspitze zu beerben. „Wer Istanbul gewinnt, gewinnt die Türkei“, sagte Erdogan selbst einmal – der ebenfalls seine Karriere als Bürgermeister von Istanbul begonnen hatte – bevor er seine 20 Jahre andauernde Herrschaft auf nationaler Ebene antrat.

Imamoglu wurde bei der Präsidentschaftswahl 2023 zunächst als möglicher Anwärter gehandelt – bis ein Gerichtsurteil ihm einen massiven Stein in den Weg legte. Ende 2022 wurde er wegen Beleidigung von Staatsbediensteten zu mehr als zweieinhalb Jahren Haft verurteilt und mit einem Politikverbot belegt. Die Opposition schickte daraufhin den CHP-Vorsitzenden Kemal Kilicdaroglu ins Rennen.

Solange das Berufungsverfahren läuft, kann Imamoglu zumindest als Bürgermeister im Amt bleiben. Er ist Betriebswirt und Bauunternehmer aus Trabzon am Schwarzen Meer, ist praktizierender Muslim und hat es verstanden, die Bürger Istanbuls über seine Partei hinaus für sich zu begeistern. „Er kann alle Segmente der Opposition ansprechen, ob türkische, kurdische, sunnitische, alevitische, junge oder ältere Wähler“, sagte Berk Esen, Politikwissenschaftler an der Sabanci-Universität in Istanbul. Der Bürgermeister von Istanbul genieße auch „in den verschiedenen Regionen des Landes ein recht hohes Maß an Unterstützung“.

Attacken auf den amtierenden Präsidenten scheut Imamoglu nicht: Angesichts einer Inflation von über 65 Prozent und einer massiven Abwertung der Lira kritisierte er im Januar, Erdogan habe „die Regeln der Wirtschaft auf den Kopf gestellt“. Die Türkei habe „die Armut nicht verdient“, betonte er.

Aus seinen Ambitionen auf das Präsidentenamt hat Imamoglu nie einen Hehl gemacht. Selbst im eigenen Lager werfen ihm deshalb manche vor, sich mehr um seine politische Zukunft als um seine Bürger zu kümmern. Er investiere „mehr in die Kommunikation als in die Prävention des in Istanbul sehr hohen Erdbebenrisikos“, hieß es etwa von Kritikern.

Imamoglu seinerseits versichert, er arbeite „wie eine Atom-Ameise“ – eine Anspielung auf einen beliebten Zeichentrickfilm – und rühmt sich dafür, die Istanbuler Stadtverwaltung weiblicher gemacht zu haben. Mit Blick auf eine mögliche Präsidentschaftskandidatur zeigte sich Imamoglu in einem Interview mit dem Oppositionsmedium Medyascope aber zurückhaltend: „Bis 2028 sind es noch vier Jahre. Es wäre unangemessen, heute darüber zu sprechen.“

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