Gewaltwelle schockt New York

von Redaktion

Nationalgarde und Schusswaffen-Detektoren sollen U-Bahn wieder sicherer machen

Washington – Für die New Yorker Bevölkerung war der sicherste Platz am Donnerstagabend in einem „Radio City“-Ballsaal im Herzen Manhattans. Dort trafen sich Präsident Joe Biden und seine früheren Amtskollegen Barack Obama und Bill Clinton zu einer der exklusivsten Spendensammel-Veranstaltungen der US-Geschichte. Wer sich bei dem Termin zusammen mit dem Präsidententrio ablichten lassen wollte, musste zuvor 100 000 US-Dollar auf den Tisch legen – neben dem Eintrittspreis von bis zu 250 000 US-Dollar. Die geschätzten Erlöse von rund 25 Millionen US-Dollar kommen der Wahlkampagne Bidens zugute. Nur Stunden zuvor befand sich auch Ex-Präsident Donald Trump in New York. Er überbrachte wenige Kilometer von der Mega-Party der Demokraten entfernt der Familie des Polizisten Jonathan Diller persönlich seine Kondolenzen. Diller war am Montag bei einer Verkehrskontrolle von einem 21 Mal festgenommenen Afro-Amerikaner erschossen worden.

Der Tod des Polizisten und die Tatsache, dass der Täter von der Justiz trotz seiner aktenkundigen Gewalttendenzen stets nur milde Strafen erhalten hatte, stehen stellvertretend für die Verbrechenswelle, die derzeit den „Big Apple“ erschüttert und rechtzeitig vor der Sommer-Reisewelle auch international für Schlagzeilen sorgt. Im so beliebten Subway-System gehören Messerstechereien und Schusswechsel mittlerweile fast zur Tagesordnung. Vergangene Woche mussten sich ein Fahrgast und seine Partnerin gegen einen mit einer Stichwaffe ausgerüsteten Angreifer – ebenfalls ein mehrfach vorbestrafter Gewalttäter – mit einem tödlichen Pistolenschuss wehren. Da die Beweislage aufgrund von Zeugenvideos eindeutig war, musste die Staatsanwaltschaft – die sonst auf Selbstverteidigung oft Anklagen folgen lässt – in diesem Fall von einer legalen Aktion sprechen. Nur Tage später schubste in Manhattan ein ebenfalls aktenkundiger Verbrecher eine ihm unbekannte Frau ohne jede Provokation vor eine einfahrende U-Bahn. Das Opfer starb.

Doch nicht nur im Untergrund der Metropole regiert die Gewalt. Eine Anzahl von Frauen berichtete in erschütternden TikTok-Videos, wie sie von einem Angreifer plötzlich ins Gesicht geschlagen wurden. Aufgrund von Zeugenaussagen wurde der Täter schnell festgenommen, aber dann umgehend wieder ohne Kaution auf freien Fuß gesetzt – das Resultat einer für New York schmerzhaften Justizreform, die Barkautionen nur noch in Ausnahmefällen vorsieht. Die Argumentation: Vor allem aufgrund der in New York viel verbreiteten Bandenkriminalität hätten überdurchschnittlich oft verhaftete Minderheiten wie Latinos und Afro-Amerikaner Probleme, Geldbeträge für Kautionen aufzubringen. Auch hatte Manhattans Bezirks-Staatsanwalt Alvin Bragg eine Strafverfolgung nur noch in schwerwiegenden Fällen vorgesehen.

Aufgrund der Negativschlagzeilen hat New York drastische Maßnahmen beschlossen. Zum einen sollen hunderte Soldaten der Nationalgarde in der Subway für Sicherheit sorgen. Und erstmals sollen in einem Testprogramm demnächst tragbare Detektoren zur Ortung von Schusswaffen an U-Bahn-Zugängen eingesetzt werden. FRIEDEMANN DIEDERICHS

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