„Das sind eben armselige Leute“

von Redaktion

VON M. FISCHER, S. GÖSMANN UND L. HUDELMAIER

München – Als Gerhard Schröder noch vor zehn Jahren seinen 70. Geburtstag feierte, organisierte die SPD einen großen Empfang. Auch im Rathaus von Hannover wurde der Ehrenbürger von 180 Gästen gefeiert. Danach flog Schröder nach St. Petersburg und feierte nach – mit niemand Geringerem als dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Wenn Schröder am 7. April 80 Jahre wird, wird alles anders sein. Die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt hat er hingeworfen, die SPD-Spitze hat mit ihm gebrochen. Und selbst die Schröder-Kaffeetassen wurden aus den SPD-Online-Shops verbannt. Der langjährige SPD-Chef (1999–2004) und Kanzler (1998–2005) hat sich weit ins politische Abseits manövriert. Zu eng ist sein Draht nach Moskau, auch nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Zwar verurteilt Schröder die Invasion, an seiner Freundschaft zu Putin hält er aber fest – bis heute.

Isoliert fühlt er sich aber überhaupt nicht, wie er in der jüngsten ARD-Doku erzählt – auch wenn die Eiszeit zwischen der Parteispitze und dem Ex-Kanzler nicht größer sein könnte. Dass die SPD-Bundestagsfraktion zugestimmt hatte, ihm die Mittel für sein Büro zu streichen, kommentiert er nur mit: „Das sind eben armselige Leute – was soll man da sagen.“ SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bezeichnet Schröder als „armer Wicht“ und der Partei rät er, sich lieber darum zu kümmern, in Umfragen nicht weiter hinter der AfD zu landen.

Kein Kanzler der Bundesrepublik ist nach seiner Amtszeit im parteiinternen und öffentlichen Ansehen so tief gesunken wie Schröder. Aber auch kaum ein anderer Politiker hat vorher so eine steile Karriere hingelegt. Schröder wuchs in sehr armen Verhältnissen im Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen als Halbwaise auf, trat mit 19 Jahren in die SPD ein, studierte Jura. Ende 1998 wurde er nach acht Jahren als niedersächsischer Ministerpräsident Kanzler der ersten rot-grünen Bundesregierung.

Kurz nach seinem Amtsantritt schickt Schröder im Kosovo-Krieg erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten in einen Kampfeinsatz. Nach dem 11. September 2001 zögert Schröder nicht, einer deutschen Beteiligung am Afghanistan-Militäreinsatz zuzustimmen. Nur bei der Irak-Invasion bleibt Schröder bei einem Nein – bis heute ist die SPD stolz darauf.

Doch auf das nächste Kapitel ihres Altkanzlers blicken die Sozialdemokraten nicht gerne zurück. Nach seiner Kanzlerschaft steigt Schröder als Lobbyist bei russischen Energieunternehmen ein. Er habe getan, was er für vernünftig hielt, sagt er der ARD. „Nämlich einen Beitrag zu leisten zu einer wirklich sicheren und bezahlbaren Versorgung des sehr wichtigen Rohstoffs Gas.“ Kritikern verdankt er für diesen Einsatz den Spitznamen „Gas-Gerd“.

Nach der russischen Invasion in der Ukraine betrachtet die SPD Schröders Lobby-Aktivitäten aber mit Argwohn. Doch der Altkanzler will seinen persönlichen Draht zu Putin nutzen. Wenige Wochen nach Beginn des Ukraine-Krieges versucht Schröder zu vermitteln, die Invasion zu stoppen. Mit seiner fünften Ehefrau Soyeon Schröder-Kim reist er dafür extra nach Moskau – spricht sogar mit Putin. Doch die Mission scheitert. Das Verhältnis zur SPD erreicht seinen Tiefpunkt.

Sämtliche SPD-Politiker distanzieren sich von ihrem Altkanzler. „Heute muss man sich leider für ihn schämen“, urteilt Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Er rät ihm den Austritt aus der SPD. Doch Schröder gibt sich unbeeindruckt: „Ich bin Sozialdemokrat, und solange man mich lässt, will ich das auch bleiben.“

Artikel 8 von 11