Die AKW-Debatte endet unversöhnlich

von Redaktion

Im Bundestag erhebt die Union schwere Vorwürfe – und droht mit weiterer Eskalation

Rededuell zwischen Habeck und Spahn. © dpa/v. Jutrczenka

München – Den Vorwurf mangelnder Transparenz lässt Robert Habeck so nicht gelten. Gerade erst habe man Dokumente von umfassenden Schwärzungen befreit und der Opposition vorgelegt, erinnert der Bundeswirtschaftsminister, als die Aktuelle Stunde zum Atomausstieg schon eine Weile läuft. Ein Schreiben vom Frühjahr 2022 sei dabei, in dem der RWE-Chef seine Bedenken zu einem Weiterbetrieb der letzten drei deutschen Reaktoren darlege. Außerdem ein Brief von Markus Söder. 30 Seiten lang, warnt Habeck: „Viel Spaß bei der Lektüre.“

Das klingt heiterer, als es gemeint ist. Der Ton in dieser Aktuellen Stunde, die die Union beantragt hat, ist durchgehend vorwurfsvoll, oft polemisch, nie versöhnlich. Im Kern geht es um die Entscheidung der Häuser von Wirtschaftsminister Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne), trotz des gerade entflammten Krieges in der Ukraine und der Sorge um eine unsichere Energieversorgung den zum Jahresende 2022 geplanten Ausstieg aus der Atomenergie nicht ausgesetzt zu haben. Interne Bedenken seien ignoriert worden.

Seit vor drei Wochen das Magazin „Cicero“ über die Vorgänge in den Ministerien berichtet hat, wogt diese Debatte, der gestrige Tag ist nun der vorläufige Höhepunkt. Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) wirft den Ministern vor, die Haltung ihrer Partei zur Kernenergie über das Wohl und die Energieversorgung von Bürgern und Unternehmen gestellt zu haben. „Sie haben diesem Land schweren Schaden zugefügt“, ruft Spahn und verweist auf Wirtschaftsflaute und steigende Strompreise durch das Abschalten der drei Meiler, die günstigen Strom hätten produzieren können. Die Ankündigung Habecks von vor zwei Jahren, „ergebnisoffen“ und „faktenbasiert“ zu entscheiden, sei eine Täuschung der Öffentlichkeit gewesen: „Pustekuchen!“

Nichts an dieser Debatte kommt überraschend. Weder der Vorwurf an Habeck, aus ideologischen Gründen der ungeliebten Atomenergie keine Chance mehr gegeben zu haben. Noch der Konter des Ministers, der auf die leeren Gasspeicher zu seinem Amtsantritt und die fatale Abhängigkeit von den Nord-Stream-Pipelines verweist, die verantwortlich gewesen seien für die Probleme der heimischen Industrie. Als die Speicher Ende 2022 wieder gefüllt waren und die Betreiber angaben, mit den bestehenden Brennelementen den Betrieb doch länger aufrechterhalten zu können, habe sich eine neue Situation ergeben und daraus ein Weiterbetrieb um vier Monate.

Eine Annäherung gibt es nicht, das war auch nicht zu erwarten. Spahn wirft Habeck vor, das Abwandern von Unternehmen verschuldet zu haben, der kontert, der Preiseffekt des Atomstroms sei „vernachlässigbar gering“ gewesen. Der eigentliche Skandal, beklagt Robin Mesarosch (SPD), bestehe darin, dass die Union „einen Skandal erfinde, wo keiner ist“. Bei einem Thema, das für Laien zu komplex sei, erzeuge man das Gefühl: „Hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu.“

Dabei seien wesentliche Bedingungen eines Weiterbetriebes dokumentiert und öffentlich zugänglich, sagt Lemke. Im Fall der Fälle hätte man „Abstriche bei der Sicherheit“ hinnehmen und als Staat die Haftung übernehmen müssen. Die regelmäßigen Sicherheitsüberprüfungen alle zehn Jahre seien schon drei Jahre überfällig gewesen. Die Ministerin findet, die Regierung habe die Argumente auf ihrer Seite. Die Union sieht das anders. Fraktionsvize Steffen Bilger (CDU) verlangt weiterhin „alle relevanten Informationen“. Ansonsten bleibe nur ein Untersuchungsausschuss. MARC BEYER

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