Haftbefehle gegen Netanjahu und Hamas-Spitze beantragt

von Redaktion

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs sieht im Gazakrieg Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Haben auch Differenzen: Jake Sullivan (r.), nationaler US-Sicherheitsberater, bei einem Treffen mit Benjamin Netanjahu. © dpa

Den Haag – Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und gegen den Anführer der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, beantragt. Das teilte der Gerichtshof am Montag in Den Haag mit.

Chefankläger Karim Khan ermittelt seit Monaten wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zuge des Gazakrieges. Weitere Haftbefehle sollen die Richter des IStGH Khan zufolge gegen Israels Verteidigungsminister Joav Galant sowie Sinwars Stellvertreter Mohammed Deif und den Hamas-Auslandschef Ismail Hanija verhängen. Beide Seiten reagierten empört auf Khans Anträge. Israel kritisierte die Anträge gegen Netanjahu und Galant scharf. Außenminister Israel Katz sprach von einer „skandalösen Entscheidung“. Netanjahu selbst nannte den Vorgang eine „Verzerrung der Realität“, die Beispiel eines „neuen Antisemitismus“ sei. Von der Hamas hieß es hingegen: Das palästinensische Volk habe das Recht, sich mit bewaffnetem Widerstand der Besatzung zu widersetzen.

Den Hamas-Führern wirft der Ankläger unter anderem „Ausrottung“ sowie Mord, Geiselnahme, Vergewaltigungen und Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Er forderte die Terrororganisation auf, alle israelischen Geiseln umgehend freizulassen und für die „sichere Rückkehr zu ihren Familien“ zu sorgen.

Ministerpräsident Netanjahu und Verteidigungsminister Galant werden von Khan unter anderem beschuldigt, für das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung sowie für willkürliche Tötungen und zielgerichtete Angriffe auf Zivilisten verantwortlich zu sein. Khan betonte zwar das Recht Israels, seine Bevölkerung gegen alle Angriffe zu verteidigen. Er erklärte jedoch zugleich, dieses Recht entbinde Israel nicht von der Pflicht, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten. Das Auswärtige Amt in Berlin beklagte hingegen ein falsches Bild, das durch die Haftanträge entstehe. Auslöser des Gazakrieges war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten.

Ob die beantragten Haftbefehle erlassen werden, müssen nun die Richter der Vorverfahrenskammer des IStGH entscheiden. Das Gericht hat zwar keinerlei Möglichkeiten, Haftbefehle selbst zu vollstrecken. Jedoch ist die Bewegungsfreiheit der Gesuchten dadurch erheblich eingeschränkt. Denn im Falle von Haftbefehlen sind alle Vertragsstaaten des Gerichts verpflichtet, die Beschuldigten festzunehmen und nach Den Haag zu überstellen, sobald sie sich in ihrem Land befinden.

Unterdessen hat US-Präsident Joe Biden das Vorgehen des IStGH-Chefanklägers gegen Israel als „empörend“ bezeichnet. Man werde Israel immer bei Bedrohungen gegen die Sicherheit des Landes zur Seite stehen. Ähnlich äußerte sich US-Außenminister Antony Blinken. Dass Haftbefehle für hochrangige israelische Beamte zusammen mit Haftbefehlen für Hamas-Terroristen beantragt worden seien, sei „beschämend“. Gleichzeitig hat der Sicherheitsberater von Biden, Jake Sullivan, in Gesprächen mit der israelischen Führung am Montagabend auf den Zugang zu humanitärer Hilfe im gesamten Gazastreifen gepocht.
DPA/AFP

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