Nach Raisis Tod: Wie geht es weiter im Iran?

von Redaktion

Trauer und Erschütterung im Iran: Präsident Raisi stirbt bei einem Hubschrauberabsturz im Nordwesten des Landes. Die Welt fragt sich nach dem Absturz, dessen Ursache noch völlig ungeklärt ist: Was wird nun aus dem Mullah-Regime?

Vizepräsident Mohammed Mokhber übernimmt vorerst die Regierungsgeschäfte. © afp

Präsident Ebrahim Raisi starb in den Trümmern des alten Hubschraubers. © kyodo/dpa

Rettungsteams an der Absturzstelle des Hubschraubers bergen die Leichen des Präsidenten und des Außenministers. Das Gelände ist schwer zugänglich. © Azin Haghighi/Moj News Agency/AP

Teheran – Bei dichtem Nebel verschwand ihr Hubschrauber vom Radar. Am Montagmorgen herrscht Gewissheit: Irans Präsident Ebrahim Raisi (63) und Außenminister Hussein Amirabdollahian (60) kamen mit sieben weiteren Insassen bei einem Absturz in ums Leben.

Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei (85) hat daraufhin fünf Tage Staatstrauer angeordnet. Gleichzeitig übertrug er die Amtsgeschäfte an Raisis ersten Vize Mohammed Mochber und beauftragte ihn, innerhalb von 50 Tagen Neuwahlen zu organisieren. Die iranische Regierung werde ohne „die geringste Störung“ weiterarbeiten, teilte sie selbst mit. „Der hart arbeitende und unermüdliche Präsident des iranischen Volkes (…) hat sein Leben für die Nation aufgeopfert“, hieß es weiter.

Mit nur 20 Jahren wurde Raisi Generalstaatsanwalt von Karadsch bei Teheran. In seiner späteren Funktion als Staatsanwalt des Revolutionsgerichts in Teheran wird er für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten im Jahr 1988 verantwortlich gemacht, weshalb seine Gegner ihm den Namen „Schlächter von Teheran“ verpassten.

Mit dem Absturz hat Irans Regierung nun zwei Spitzenpolitiker verloren, die die Außen- und Innenpolitik der Islamischen Republik geprägt haben. Aufgrund von Protesten, militärischen Spannungen im Nahen Osten und einer schweren Wirtschaftskrise befindet sich der Iran derweil in einem anhaltenden Krisenzustand. Neu gewählt erden soll am 28. Juni.

Jetzt dürfte ein heftiger Machtkampf ausbrechen, erklärt der Iran-Experte Arash Azizi, Gastwissenschaftler an der in Berlin ansässigen Stiftung für Wissenschaft und Politik. Raisis Passivität in seinen drei Jahren als Präsident habe Herausforderer unter den Hardlinern ermutigt. Bei den Parlamentswahlen im März hatte sich bereits ein Lager fundamentalistischer und konservativ-religiöser Politiker durchgesetzt. Auch Raisi ging gestärkt aus den Wahlen hervor – der ersten landesweiten Abstimmung seit den Massenprotesten infolge des Todes der jungen Kurdin Masha Amini.

Moderate Reformpolitiker werden dagegen immer schwächer. Viele sind nach gescheiterten Reformversuchen der vergangenen Jahrzehnte massiv desillusioniert. Zuletzt trieb die Regierung ihren umstrittenen und ultrakonservativen Kurs bei der Durchsetzung des Kopftuchzwangs voran.

Raisis Tod werde „den Wettbewerb zwischen den Hardlinern beeinflussen, aber nicht die strategische Ausrichtung der Islamischen Republik in der Außen- oder Innenpolitik“, sagt Azizi. Deutsche Politiker erwarten keinen Kurswechsel. „Ohne diesen einen Hardliner wird das Regime dennoch ein aggressives bleiben“, mutmaßt der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour. Auch der iranischstämmige FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai warnt vor der Illusion, dass der Iran nun seine geopolitische Agenda ändert.

Die arabische Welt zeigte sich derweil bestürzt über die Todesnachricht. Beileidsbekundungen kamen aus Ägypten, Katar, Syrien und Jordanien. Aber auch Chinas Präsident Xi Jinping kondolierte. Das chinesische Volk habe „einen guten Freund verloren“. Kremlchef Wladimir Putin bezeichnete Raisi als „wahren Freund Russlands“. Zurückhaltender fielen Reaktionen im Westen aus. Die US-Regierung bekundete schriftlich ihr „offizielles Beileid“. „Unsere Gedanken sind bei den Familien“, teilte EU-Ratschef Charles Michel mit. Die EU hatte erst vergangene Woche ihre Sanktionen gegen den Iran ausgeweitet.

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