Minister oder mehr? Boris Pistorius (SPD) hier vergangene Woche beim Empfang eines Staatsgastes mit dem Wachbataillon in Berlin. © Kay Nietfeld/dpa
Berlin – Für den erfolgsverwöhnten Herrn Minister gab es zuletzt ein paar unschöne Schlagzeilen. „Ein Minister zeigt Nerven“, titelte der Spiegel. „Ist der Verteidigungsminister am Limit?“, fragte die FAZ und bescheinigte ihm „schlechte Laune“. Die Union in Gestalt des CSU-Verteidigungspolitikers Florian Hahn warnte, er werde „immer mehr zum Ankündigungsminister, dessen Wort nichts zählt“.
Es ist ja nicht neu, dass sich Deutschland an seinen Verteidigungsministern abarbeitet. Bei Boris Pistorius, 64, ist das gerade deutlich auszumachen. Das Echo auf die Arbeit des niedersächsischen Sozialdemokraten ist ungewöhnlich breit. So sehr sich die Kritik an ihm häuft, so deutlich ist auch seine Popularität im Volk. Pistorius liegt seit Monaten unangefochten auf dem Spitzenplatz im ZDF-„Politbarometer“, weit vor Kanzler Olaf Scholz (SPD). Was also stimmt nun davon?
Konsens ist: Pistorius hat dicke Aufgaben vor sich. In den ersten 15 Monaten im Amt kündigte er viel an, baute in seinem Umfeld auch einiges um – neuer Staatssekretär, neuer Generalinspekteur, neue Chefs der Teilstreitkräfte. In vielen Punkten hatte er freie Hand, wurde als wort- und tatkräftig wahrgenommen. Nun gibt es aber kräftigen Widerstand.
Vor allem beim Geld. Derzeit wird über den Bundeshaushalt 2025 verhandelt, es ist zäh und geprägt von Sparzwängen. Pistorius soll 6,7 Milliarden Euro mehr gefordert haben – offen, ob er die bekommt. Zudem will er 3,8 Milliarden Euro mehr für die Militär-Unterstützung der Ukraine. Auch zur mittelfristigen Finanzplanung dürfte es schwierige Verhandlungen geben, denn das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr dürfte bald aufgebraucht sein. Pistorius‘ Forderung, die Ausgaben für Verteidigung und auch für Teile der Krisenvorsorge von der Schuldenbremse auszunehmen, hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) zurückgewiesen. „Wir können die Landes- und Bündnisverteidigung nicht auf Pump finanzieren“, sagte er. Schuldenstand und Zinslast würden steigen.
■ Er habe Bock, meldet der Minister
Eben deshalb krachte es letzte Woche in einem Haushaltsgremium des Bundestags. Pistorius soll mit dem bayerischen FDP-Haushälter Karsten Klein aneinandergeraten sein. Dort soll der Minister verärgert gesagt haben: „Ich muss das hier nicht machen.“ Das war der Moment mit den Nerven. Seither muss Pistorius beteuern, nicht amtsmüde zu sein. „Um das klar sagen: Ich habe immer noch großen Bock auf diesen Job, und so schnell werden Sie mich nicht los.“
Die nächste Großbaustelle: Er will einen Vorschlag über ein neues Wehrpflicht-Modell vorlegen, da gibt es Ärger sogar aus der SPD. Die Bundeswehr soll bis 2031 von 182 000 auf 203 000 Soldaten wachsen. Pistorius prüft derzeit, wie er den Personalmangel lindern könnte. Wie genau, ist offen – es dürfte aber eine lebhafte Debatte geben.
SPD-Chef Klingbeil sprach sich dafür aus, bei der Rekrutierung von Bundeswehrsoldaten weiterhin auf Freiwilligkeit statt auf einen Pflichtdienst zu setzen. „Ich finde, wir sollten es freiwillig probieren, indem wir die Bundeswehr noch attraktiver machen“, sagte Klingbeil. Wenn man die Attraktivität und auch die Wertschätzung des Soldatenberufs in der Gesellschaft steigere, werde das dazu führen, dass mehr Leute freiwillig zur Bundeswehr kommen. „Davon bin ich fest überzeugt, und deswegen ist der Zwang etwas, was ich gerade nicht sehe, dass wir das politisch beschließen sollten.“
Ärger mit der Presse, mit der FDP, sogar mit der SPD: Da kommt ein Zuruf für den Minister eher überraschend. Aus dem Mittelbau der SPD ist eine Stimme laut geworden, ihn als Kanzlerkandidaten zur Bundestagswahl 2025 aufzustellen. Das sieht zumindest Nordsachsens SPD-Fraktionschef Heiko Wittig so. Er sagte dem „Tagesspiegel“: „Sehr viele an der SPD-Basis sagen: Pistorius ist ganz klar unsere Nummer eins.“ Wenn Pistorius als Kanzlerkandidat gegen CDU-Chef Friedrich Merz antreten würde, wäre der 15-Prozentpunkte-Vorsprung der Union nach Meinung von Wittig ganz schnell geschmolzen.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte „T-Online“, an Gerüchten, dass die SPD vor der nächsten Wahl Pistorius als Kanzlerkandidaten einwechsle, sei nichts dran: „Ringtausch ist etwas für Panzer, nicht für Kanzlerkandidaten.“ SPD-Chef Lars Klingbeil legte sich ebenso fest: „Olaf Scholz ist der Kanzler, und er bleibt es. Und er wird auch wieder unser Kandidat.“ Scholz selbst hat dem Minister übrigens am Wochenende sein Vertrauen ausgesprochen. Der Minister könne sich auch auf eine Finanzierung verlassen, sagte der Kanzler in einem Interview. Und ergänzte: „Das ist ganz schön viel Rückhalt.“