Blick über die linke Schulter: Friedrich Merz, CDU-Chef, muss eine Linie für seine Partei finden. © dpa
München – Seinen Optimismus hat Bodo Ramelow nicht verloren. Am Mittwochabend sagte Thüringens Ministerpräsident mit Blick auf die Landtagswahl am 1. September einen Satz, den er so ähnlich schon häufiger formuliert hat. Er richtete sich an die Thüringer CDU, mit der Ramelow gerne koalieren würde. Bei allen Unterschieden müsse sich doch eine Basis finden lassen: „Demokraten sollten sich auch miteinander aushalten.“ Mit Respekt und gutem Willen könne man gemeinsam „auch mal ungewöhnliche Weg gehen“.
Die Reaktion war dann aber erwartbar. Noch am selben Abend winkte CDU-Landeschef Mario Voigt ab. Vordergründig ist er gegen ein Bündnis, weil er einen umfassenden Machtwechsel anstrebt: „Zehn Jahre Rot-Rot-Grün reicht in Thüringen.“ Tatsächlich aber ist sein Widerstand prinzipieller Natur. Er sieht in den Linken gar keine echten Demokraten.
Seit 2018 gilt bei der CDU ein Unvereinbarkeitsbeschluss, der eine Zusammenarbeit verbietet. Werte und Grundsätze seien zu verschieden. Die „SED-Nachfolgepartei“ habe sich ihrem historischen Erbe – Unterdrückung Andersdenkender, Morde, der Schießbefehl an der Berliner Mauer – nie ernsthaft gestellt.
Mehr als drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung und der Abwicklung der SED ist die Linke noch immer ein rotes Tuch für die Christdemokraten. Vor den Wahlen im Osten, speziell in Thüringen, stürzt sie das in ein Dilemma. Einerseits will die CDU die in den Umfragen führende AfD von der Macht fernhalten. Andererseits soll ihr das ohne die Linke gelingen.
Da bleibt nicht viel. In den Fokus rückt, zumindest auf Länderebene, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Dass in dem neuesten Wettbewerber in Wahrheit viel Linkspartei steckt, erwähnen Unionsvertreter selten. „Mehr Realitätssinn“ als Linke und zum Teil auch Grüne zeige das Bündnis, sagte Voigt kürzlich. Zudem denke die Thüringer Spitzenkandidatin, Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf, in Migrations- und Wirtschaftsfragen „relativ vernünftig“.
Tatsächlich gibt es eine gewisse Schnittmenge. Beim Thema Migration etwa zieht das BSW strikte Grenzen: Sie sei „nicht die Lösung für das Problem der Armut auf unserer Welt“, heißt es im Parteiprogramm. Man ist gegen Identitätspolitik, lehnt das Gendern ab, sieht das Bürgergeld kritisch, das Aus für Verbrennerautos. Sogar die wohlwollende Haltung gegenüber Russland und der Ruf nach der Wiederaufnahme von Gaslieferungen dürfte zumindest bei manchem CDU-Vertreter in Ostdeutschland Zuspruch finden.
Dennoch bleiben genug Sollbruchstellen. Die Unterstützung für die Ukraine steht für die CDU nicht zur Debatte, ein Abrücken von den USA ist kein Thema, die Skepsis des Bündnisses gegenüber EU und Nato dürfte in der Union wenig Zustimmung finden, und auch steuerpolitisch liegt man weit auseinander.
Mario Voigt nennt die Wagenknecht-Partei vorsichtig eine „Blackbox“, bei der man noch gar nicht wisse, was einen erwarte. Das lässt ihm alle Möglichkeiten. Auch seine Parteifreunde formulieren vorsichtig. Bundesvizechefin Karin Prien sagte kürzlich, es hänge von den Persönlichkeiten im BSW ab, „ob es vor Ort eine Grundlage für eine Zusammenarbeit gibt“.
Das muss noch nicht zwingend eine Absage an die Linken sein. Wie stabil diese Mauer am Ende steht, wird sich erst nach den Wahlen zeigen. Bereits jetzt stimmt etwa die Thüringer CDU im Einzelfall Anträgen der rot-rot-grünen Koalition zu. Umgekehrt ist sie ähnlich flexibel. So votierte sie bei der Senkung der Grunderwerbssteuer auch schon gemeinsam mit der AfD. Zu der gibt es seit Jahren ebenfalls einen Unvereinbarkeitsbeschluss.