Der Judenhass an den Unis

von Redaktion

Aufgewühlte Stimmung: Die Polizei räumt am Donnerstag die Uni in Berlin. © ZUMA Press

München/Berlin – Es sei der härteste Tag in ihren zwei Jahren als Uni-Präsidentin, sagt Julia von Blumenthal. „Weil ich mich immer als Präsidentin verstehe, die nah an den Studierenden ist.“ Dann deutet sie auf die Menschenmenge hinter sich. Vor der Humboldt-Universität rufen junge Leute, gehüllt in Palästinenser-Tücher, antisemitische Parolen. Sie skandieren Sprechchöre wie „Viva, viva Palästina“ und „Yallah Intifada“ – ein Aufruf zum gewaltsamen Aufstand gegen Israel. „Sie sehen ja, was das hier für eine Gruppe ist“, sagt von Blumenthal, „da kann man nicht nah sein.“

Die Uni-Präsidentin steht massiv unter Druck – 24 Stunden lang hat sie geduldet, dass sich propalästinensische Studenten in dem Institut für Sozialwissenschaften verbarrikadieren. Während sie sich draußen zahlreichen Journalisten erklärt, wird drinnen das Gebäude geräumt. Auf Videos im Netz ist zu sehen, wie die Besetzer etliche Räume in dem Institut mit antijüdischen Botschaften zugesprayt haben. Säulen und Wände sind mit Sprüchen wie „From the river to the sea“ (die Forderung nach der Zerstörung Israels) und mit roten Dreiecken zugekleistert – die Hamas nutzt dieses Symbol in Propagandavideos zur Markierung von israelischen Feinden. Auf einer Tür steht „Anti-Zionismus-Area“ geschrieben. Viele der Studenten in dem Gebäude sind maskiert, sie bauen mit Tischen und Bänken Barrikaden auf. Eine junge Frau ruft auf Englisch in eine Kamera: „Wir sind hier, um alles zu zerstören“, während ihre Kommilitonen im Hintergrund trommeln und singen.

Am Donnerstagabend stürmen Polizisten das Gebäude. Als die Beamten die Universität räumen, sollen einige der Studenten Widerstand geleistet und „vereinzelt“ Gegenstände geworfen haben, heißt es von der Polizei. Einige Türen habe man aufbrechen müssen, um zu den Besetzern zu gelangen. Der Einsatz sei „von oben“ festgelegt worden, erklärt von Blumenthal – sie selbst hatte ihn nicht anordnen wollen. Die Uni-Präsidentin bestätigt auf Nachfrage, dass sich Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) eingeschaltet habe. Sie selbst hatte am Mittwochabend das Gespräch mit den Besetzern gesucht und ihnen eine Frist bis Donnerstagabend gesetzt, um die Uni wieder zu verlassen. Sie wurde nicht von allen eingehalten. Am Ende nimmt die Polizei 169 Aktivisten fest, gegen 25 von ihnen werden Strafermittlungsverfahren eingeleitet.

Der Umgang der Uni-Präsidentin mit der Situation stößt auf Kritik. Universitäten seien „keine rechtsfreien Räume für Antisemiten und Terrorsympathisanten“, erklärte etwa Bürgermeister Wegner. Er erwarte von der Humboldt-Universität, „dass sie Verantwortung übernimmt und jetzt konsequent handelt“. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte: „Es darf keine Bedrohung, keine Beleidigung, keine Billigung von Straftaten stattfinden.“ Zahlreiche Nutzer auf der Plattform X forderten von Blumenthals Rücktritt. Nicht nur, weil ihr die Situation generell entgleist sei – auch, weil sie am Ende auf eine Anzeige wegen Sachbeschädigung verzichtete und die Besetzer straffrei davonkommen lassen wollte.

Seit Wochen werden Pro-Palästina-Proteste für Hochschulen zum Problem. Kürzlich hatte die Polizei auch ein Protestcamp an der Freien Universität in Berlin geräumt – 150 Aktivisten hatten den Hof besetzt. An der Frankfurter Goethe-Universität haben Studenten sogar ein Dauer-Palästina-Camp aufgebaut – die Demo findet seit Montag statt und soll noch bis kommenden Montag andauern. Die Stadt München hat erst vergangene Woche versucht, ein Protestcamp vor der Ludwig-Maximilians-Universität zu verbieten – ist damit aber in zweiter Gerichtsinstanz gescheitert. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat gestern vor weiteren Besetzungen von Hochschulen im Freistaat gewarnt. Bayern werde solche Aktionen „auf keinen Fall akzeptieren“, sagte er. Die Polizei werde Besetzungen konsequent beenden und Straftaten verfolgen. Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) sagte: „Sollten bei uns solche Grenzüberschreitungen stattfinden, wird nicht diskutiert, sondern geräumt.“

In die Proteste mischen sich nicht nur islamistische Akteure, sondern auch linksextremistische Gruppen. Vom Verfassungsschutz heißt es, Israel werde von Linksextremen als „kapitalistisch“ und „imperialistisch“ wahrgenommen. Die Gruppe „Student Coalition Berlin“, die zu der Besetzung an der Berliner Uni aufgerufen hatte, fordert nicht nur einen Stopp deutscher Rüstungsexporte – sondern auch einen „kulturellen und akademischen Boykott Israels“.
MIT DPA

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