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Die große Wohnkrise kommt erst noch

von Redaktion

Weniger Neubauten

Ziel verfehlt: 400 000 neue Wohnungen pro Jahr wollte die Bundesregierung schaffen, je nach Schätzung könnten es dieses Jahr 200 000 bis 250 000 werden, nur ein kleiner Teil davon wird wirklich bezahlbar sein. Zudem brechen die Genehmigungen für Neubauten massiv ein. Manche Wohnbaugesellschaften stellen ihre Tätigkeit sogar ganz ein, weil es sich für sie nicht mehr lohnt, zu bauen. Die Auswirkungen werden sich erst in einigen Jahren zeigen, wenn die in besseren Zeiten gestarteten Projekte fertig sind und kaum etwas nachkommt. Die große Wohnkrise kommt also erst noch.

Schuld ist nicht nur die Politik. Über Jahre hatte die Branche beste Rahmenbedingungen und hat viel Geld verdient. Nun hat sich die Situation gedreht. Die Zinsen sind gestiegen, Bauherren müssen mit spitzerem Stift rechnen. Material und Arbeit sind wegen der Inflation teurer geworden. Und weil Grundstücke im letzten Jahrzehnt zum Spekulationsobjekt wurden, wovon die jetzt jammernde Immobilienbranche übrigens lange profitiert hat, ist es vor allem in beliebten Städten fast unerschwinglich geworden, Flächen für Neubauten zu erwerben.

Nun sind alle gefordert. Die Bauwirtschaft, die oft noch so baut wie vor 50 Jahren, anstatt auf mehr serielle Fertigung und andere Materialien wie Holz zu setzen. Aber auch die Politik. Bauanträge müssen etwa immer noch in dicken Ordnern statt digital eingereicht werden und Kalkulationen sind oft überholt, bis die Anträge endlich bearbeitet werden. Statik- und Materialvorschriften richten sich gerne nach Extremszenarien. Über alldem schweben scharfe Klimaauflagen, die unter besseren Rahmenbedingungen leistbar sind, heute aber Projekte häufig endgültig unwirtschaftlich machen. Zudem muss der Staat sich mehr um bezahlbaren Sozialbau kümmern, ihn fördern und womöglich Flächen bereitstellen, nachdem er Jahrzehntelang Sozialwohnungen verscherbelt hat. Nichtstun ist keine Option. Denn eine massive Wohnkrise samt Mietexplosionen hätte enorme soziale Sprengkraft. redaktion@ovb.net

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