Es mag einige Themenfelder geben, auf denen Ursula von der Leyen freundlichen Rat gut brauchen könnte. Der Umgang mit Parteien rechts von der Union fällt nicht darunter. Die Kommissionspräsidentin hat Recht, wenn sie nach anschlussfähigen (National-)Konservativen im demokratischen Spektrum Ausschau hält. Sie liegt richtig, wenn sie Politiker wie Italiens Giorgia Meloni an proeuropäischem, proukrainischem und rechtsstaatlichem Agieren misst. Und wenn sie differenziert zwischen Rechten aus Teilen der „EKR“-Fraktion und Rechtsextremen, die in der „ID“ ihr Unwesen treiben. Ob‘s einem gefällt oder nicht: Im komplexen Konstrukt Europa ist das politische Feld von Christdemokraten, wie wir es aus Deutschland kennen, allein einfach nicht mehrheitsfähig.
Genau darum geht es ja auch den Grünen mit ihrer Aufforderung, von der Leyen solle sich von allem rechts der Mitte fernhalten – es ist die Hoffnung, sie so zu isolieren, dass sie bei der Wiederwahl im EU-Parlament scheitern wird. Mag sein, dass das sogar klappt. Dann allerdings auch deshalb, weil kaum einer mehr weiß, wofür von der Leyen steht. Sie blinkt ja in alle Richtungen: In der aktuellen Legislatur umschwärmte sie mit ihrem „Green Deal“ emsig die Grünen. In den letzten Tagen erschreckte sie die eigene Partei plötzlich mit Offenheit für gemeinsame EU-Schulden, gegen ihr Wahlprogramm – ein Anschmiegen an den Franzosen Macron, der die linksliberale Fraktion dominiert, in die sich aus unerfindlichen Gründen auch die Freien Wähler verirrt haben. Was von der Leyen fehlt, ist nicht die Brandmauer – sondern eine klare Linie. Christian.Deutschlaender@ovb.net