KOMMENTARE

Das Problem mit den Menschenfeinden

von Redaktion

Der Fall Sylt – und andere

Das ekelhafte Gröl-Video aus Sylt wirft ein Schlaglicht darauf, dass Rechtsextremismus kein reines Unterschichtenproblem ist und auch nicht regional eingrenzbar auf Landesteile mit Abwanderung und Perspektivarmut. In diesem Fall lässt sich das wohl unter dem hässlichen Wort der „Wohlstandsverwahrlosung“ einordnen. Das passt leider zu anderen Beobachtungen. Dass legitime Israel-Kritik ausgerechnet an Universitäten in Israel- und Judenhass umschlägt, zum Beispiel. Wenn hier die gut situierten und da die gut ausgebildeten Jüngeren ein abstoßendes, unseren Werten widersprechendes Menschenbild ausleben, muss das eine aufgeklärte Gesellschaft erschrecken.

Die unmittelbaren Lehren aus Sylt sind dabei gar nicht so kompliziert, mehreres davon hat in diesem konkreten Fall sogar funktioniert, wenigstens zeitversetzt wegen des mit brutaler Wucht im Internet viral gehenden Videos der Szene. Wir dürfen Nazi-Parolen im öffentlichen Raum nicht dulden, und müssen es auch nicht. Zivilcourage hilft dagegen, und sei es auch nur der Ruf nach der Polizei. Das Hausrecht ist gefragt, also sensibilisierte und mutigere Gastronomen, und im Nachgang eine konsequente Strafverfolgung.

Über das tiefer liegende Problem, wo überall in unserer Gesellschaft Menschenfeindlichkeit mit unterschiedlichsten Fratzen heranwächst, ist in Ruhe zu reden. Da wäre zu wünschen, dass die Politik auf die ganze Bandbreite schaut. So widerwärtig das Sylt-Video ist, auch nicht mit Alkohol zu rechtfertigen, so auffällig ist doch auch die Eile der politischen Reaktionen. Ein Bundeskanzler, der binnen Minuten die Sprache und klarste Worte findet zu einem Thema, begleitet von sämtlichen Spitzen des Staates, das ist gewiss lobenswert. Noch besser wäre gewesen, das wäre zu anderen, vielleicht erheblich größeren Anlässen auch mal erfolgt. Niemand kann und soll fünf Ausländer-raus-Gröler gegen, um ein Beispiel zu nennen, 1000 Kalifat-Rufer aufwiegen. Aber eine Schande und eine Gefahr für das Land sind beide. Dass man Klartext redet, Debatten anstößt und führt, sollte sich nicht daran bemessen, ob ein Thema wie hier im Falle Sylt gerade auch einer Seite auffällig gut in den aktuellen Wahlkampf passt. Christian.Deutschlaender@ovb.net

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