Sie könnten vom Typ her nicht unterschiedlicher sein: Der hyperaktive Emmanuel Macron, der pathetische Reden liebt, und der stoische Hanseat Olaf Scholz, der in seinen nüchternen Minimalisten-Sätzen jegliche Emotion vermeidet. Angela Merkel gelang es, trotz ähnlicher Temperaments-Unterschiede mit dem Präsidenten zu „Mercron“ zusammenzuwachsen. Der auf vier Tage angelegte, überfällige Staatsbesuch des Franzosen in Deutschland wird aus Scholz und Macron wohl nicht gleich ein politisches Traum-Duo schmieden. Aber angesichts der wirtschaftlichen und militärischen Herausforderungen ist eine Annäherung der beiden bitter nötig. Es war ein schwerer politischer Fehler von Scholz, das europäische Luftverteidigungssystem Sky Shield an Frankreich vorbei zu initiieren. Umgekehrt war Macrons Gerede über Nato-Bodentruppen in der Ukraine ein ebenso unverzeihlicher Fehltritt. Zwar wollte der Franzose damit Putin zeigen, dass die Nato genauso mit der Unberechenbarkeit spielen kann wie der Kreml-Chef mit seinen Atom-Szenarien. Doch stattdessen führte Macron Moskau so nur vor, wie uneinig die Europäer in Verteidigungsfragen sind. Gegenüber China zeichnet sich ein neues deutsch-französisches Desaster ab: Paris droht offen mit Schutzzöllen als Antwort auf die „Übersubvention“ in China und den USA. Für die vom China-Geschäft abhängige deutsche Wirtschaft ist das inakzeptabel. Scholz und Macron müssen bei diesen Streitpunkten eine gemeinsame Linie finden. Denn Paris und Berlin, bisher der Kitt Europas, dürfen nicht zum Spaltpilz werden, der die EU sprengt.
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