Der Präsident herzt Kinder: Emmanuel Macron gestern Abend mit Fans vor dem Brandenburger Tor. © Kappeler/dpa
Kick für die Beziehung: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Sonntagnachmittag. Es endet übrigens 1:1. © afp
Berlin – Klassische deutsche Küche, aber modernisiert, verfeinert und jahreszeitlich angepasst, bestimmt am Sonntagabend das Menü beim Staatsbankett im Schloss Bellevue. Koch Jan-Göran Barth hat sich zum Auftakt für Spargelsalat sowie aufgeschäumte Erbsenmilch entschieden. Im Hauptgang lässt er Sauerbraten vom Fleckvieh mit Braunschweiger Mumme, Beelitzer Spargel und Spätzle-Rhabarber-Törtchen servieren. Fruchtig, nämlich mit Holunderblüte, Zitronenverbene und Erdbeere soll das festliche Essen enden.
In den Genuss von Essen und Musik kommen neben den Gastgebern – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender – sowie den Gästen Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte unter anderem auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) und dessen Amtsvorgängerin Angela Merkel. Der festliche Rahmen kommt nicht von ungefähr. Mit dem ersten Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 24 Jahren will Macron neuen Schwung in die deutsch-französischen Beziehungen bringen. Nach seiner Ankunft in Berlin betont er am Sonntag, welche Bedeutung die Zusammenarbeit beider Länder für Europa hat. „Europa kann sterben“, bekräftigte er wie schon vor einigen Wochen in seiner viel beachteten Rede an der Pariser Sorbonne-Universität. „Die deutsch-französischen Beziehungen sind für Europa unabdingbar und wichtig.“ Macron widerspricht auch dem Eindruck, dass der deutsch-französische Motor Europas ins Stottern gekommen sei. „Das stimmt nicht. Wir schreiten voran“, sagte der Präsident.
Doch so gut die beiden Staatsoberhäupter miteinander können – auf der Regierungsebene gelten die Beziehungen zwischen Berlin und Paris gerade als überwiegend schwierig. Bei Schlüsselthemen knirscht es immer wieder zwischen beiden Hauptstädten. Das gilt für die Unterstützung der Ukraine ebenso wie etwa für die wirtschaftspolitische Ausrichtung gegenüber den Konkurrenten USA und China. Diese Fragen sollen nach dem Staatsbesuch bei einem deutsch-französischen Ministerrat am Dienstagnachmittag in Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung, nördlich von Berlin erörtert werden.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kritisiert, dass die Beziehungen zwischen beiden Ländern so schlecht seien wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Er verlangte unmittelbar vor dem Besuch Macrons ein klares europapolitisches Signal der Bundesregierung. Merz kritisierte, dass Macron aus Berlin zu seinen beiden großen Europa-Reden an der Sorbonne keine Antwort aus Deutschland bekommen habe. „Das ist in Paris zu Recht, und zwar parteiübergreifend, auf große Irritation gestoßen“, sagte Merz dem Sender rbb24 Inforadio. Die erste Rede fiel noch in die Regierungszeit von Angela Merkel (CDU).
In seiner zweiten Rede im vergangenen April warnte Macron, es gebe ein großes Risiko, dass Europa im nächsten Jahrzehnt „geschwächt oder sogar deklassiert“ werde. Er forderte eine europäische Verteidigungsstrategie mit einer gemeinsamen Rüstungsindustrie und eine über Fonds der EU finanzierte beschleunigte Aufrüstung, um der Bedrohung durch Russland gewachsen zu sein. Scholz kommentierte die Rede damals mit den Worten, gemeinsames Ziel Frankreichs und Deutschlands sei es, „dass Europa stark bleibt“. Er fügte an Macron gewandt hinzu: „Deine Rede enthält gute Impulse, wie uns das gelingen kann.“
Französische Präsidenten kommen zwar recht häufig zu politischen Gesprächen nach Berlin. Den letzten formellen Staatsbesuch hatte aber Präsident Jacques Chirac im Jahr 2000 absolviert. Ein Staatsbesuch dauert anders als ein Arbeitsbesuch immer mehrere Tage und folgt einem festgelegten Protokoll, zu dem ein Staatsbankett und der Besuch an mindestens einem Ort außerhalb der Hauptstadt gehört. So wird Macron mit Sachsen diesmal erstmals als Präsident eines der ostdeutschen Bundesländer besuchen, er hält eine Rede vor der Frauenkirche. Er verband das übrigens in Berlin mit der Warnung vor rechtsextremen und nationalistischen Bewegungen. Man müsse „denen widersprechen, die die Demokratie und Europa angreifen“, sagte Macron.
Im Mai vergangenen Jahres hatte Macron den Staatsbesuch wegen Unruhen in Frankreich verschoben. Nun findet er in leicht verkürzter Form statt.