Es sind Zahlen, die Sorge machen. Statt um die erwarteten 50 000 wächst die Gruppe der Pflegebedürftigen in Deutschland um über 360 000 Menschen – also das Siebenfache. Woran das liegt, sei unklar, sagt Gesundheitsminister Karl Lauterbach – und liefert doch eine Erklärung mit: Zu den sehr alten Pflegebedürftigen kommen die ersten Babyboomer, die nun ebenfalls Hilfe brauchen. So ganz aus dem Nichts dürfte das für Lauterbach und sein Ministerium eigentlich nicht kommen. Der demografische Wandel und seine Auswirkungen sind lange bekannt, dazu kommen Änderungen bei der Einstufung der Pflegegrade. Nun steigt der Druck offenbar noch schneller als befürchtet.
Gut vorbereitet ist Deutschland nicht. Die Probleme sind vielfältig, doch über allem steht der enorme Fachkräftemangel, der sich immer tiefer in Heime und Pflegedienste frisst. Dabei diskutierte die Politik schon in den 80er-Jahren über ein „Sofortprogramm gegen den Pflegenotstand“ – der ist heute größer denn je. Gleichzeitig ist es auch nicht so, dass gar nichts passiert wäre. Nicht erst Karl Lauterbach hat den Ernst der Lage erkannt. Seine Vorgänger Jens Spahn und Hermann Gröhe (beide CDU) haben Veränderungen auf den Weg gebracht, die nicht nur falsch waren. Spahn reiste zudem nach Mexiko, um Arbeitskräfte anzuwerben. Bayern versucht es mit einem eigenen Büro in Albanien. Das Grundproblem konnten sie alle aber bisher nicht auflösen: So viele ausländische Pflegekräfte, wie man bräuchte, kann man gar nicht ins Land locken. Und eine deutlich bessere Bezahlung, um viel mehr Deutsche für diesen nicht immer leichten Beruf zu gewinnen, bedeutet auch höhere Kosten für ohnehin hoch belastete Pflegebedürftige und Beitragszahler.
Doch Geld ist nicht der einzige Hebel. Um viel mehr Menschen in den Beruf zu locken, muss er attraktiver werden. Dabei geht es auch um familienfreundlichere Arbeitszeiten. Gleichzeitig müssen diejenigen, die selbst zu Hause Angehörige pflegen, so gut unterstützt werden wie irgendwie möglich – ohne sie geht schon heute nichts mehr. Sebastian.Horsch@ovb.net