Palästinenser fliehen aus Rafah während einer israelischen Boden- und Luftoffensive in der Stadt. © Jehad Alshrafi/AP/dpa
Gaza/Tel Aviv – Nach der Übernahme der Kontrolle eines wichtigen Grenzkorridors zwischen dem Gazastreifen und Ägypten durch Israel sind die Kämpfe im Gazastreifen am Donnerstag unvermindert heftig fortgesetzt worden. Bewohner der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens meldeten intensiven Artilleriebeschuss und heftige Schüsse. Nach den Worten des israelischen Armeesprechers Daniel Hagari dienten die nahe Rafah im Philadelphi-Korridor entdeckten Tunnel der radikalislamischen Hamas als „Sauerstoff-Pipeline“ für den Waffenschmuggel.
Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete von der Flucht zahlreicher Menschen aus dem westlichen Gebiet von Rafah. Dort wurden nach einem Luftangriff mindestens vier Leichen in das Nasser-Krankenhaus gebracht, wie die Klinik mitteilte.
Die israelische Armee erklärte am Donnerstag, sie habe in den Tagen zuvor mehr als 50 Ziele im Gazastreifen ins Visier genommen. Die Truppen hätten in Rafah Waffen, Sprengstoff und Tunnelschächte entdeckt. Zudem seien sie in der Stadt Dschabalija im Nordosten des Gazastreifens von militanten Palästinensern angegriffen worden. Ein Kampfjet habe bewaffnete Kämpfer getroffen und zwei von ihnen getötet. Am Mittwoch hatte die israelische Armee erklärt, sie habe „die operative Kontrolle“ über den 14 Kilometer langen Sicherheitskorridor zwischen Ägypten und dem Gazastreifen erlangt. Die israelischen Streitkräfte entdeckten dort eigenen Angaben zufolge rund 20 Tunnel.
„Der Philadelphi-Korridor diente der Hamas als Sauerstoff-Pipeline, durch die sie regelmäßig Waffen in den Gazastreifen transportierte“, sagte Armeesprecher Hagari. Östlich der Stadt Rafah sei die Armee rund hundert Meter vom gleichnamigen Grenzübergang zwischen Ägypten und dem Gazastreifen auf eine „weitverzweigte unterirdische terroristische Infrastruktur mit einer Länge von anderthalb Kilometern“ gestoßen.
Der sogenannte Philadelphi-Korridor wurde 1979 durch das ein Jahr zuvor geschlossene historische Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten geschaffen. Die israelische Armee nutzte ihn bis zu ihrem Rückzug aus dem Gazastreifen 2005 als Patrouillenweg. Israel vermutet seit Langem, dass militante Gruppen in dem Palästinensergebiet den Korridor für den Waffenschmuggel nutzen.
Ägypten dementierte die Existenz der Tunnel unter der Grenze. „Israel nutzt diese Behauptungen, um die Fortsetzung des Einsatzes gegen die palästinensische Stadt Rafah zu rechtfertigen und den Krieg zu politischen Zwecken zu verlängern“, sagte ein ranghoher Vertreter Ägyptens.
Die Hamas teilte am Donnerstagabend mit, dass sie eine „vollständige Einigung“ über die Freilassung der aus Israel entführten Geiseln im Austausch für palästinensische Häftlinge mit Israel will. Voraussetzung sei aber ein Ende des Gaza-Kriegs. In dem Fall seien die Islamisten bereit, die Verhandlungen fortzusetzen und ein „umfassendes Austausch-Abkommen“ zu erzielen. Dies hätten sie auch den Vermittlern mitgeteilt. Israel lehnt ein Ende des Kriegs bislang ab.
Was mit einer „vollständige Einigung“ gemeint war, ließen die Islamisten indes offen. Gemeint sein könnte, dass ein Austausch aller Geiseln gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen auf einmal stattfinden soll – und nicht wie bislang geplant in mehreren Phasen. Israels nationaler Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi sagte laut israelischen Medien am Donnerstag zu Angehörigen der Geiseln, dass die derzeitige Regierung nicht bereit sei, den Krieg zu beenden.