KOMMENTARE

Zertrümmerung des Rechtsstaats

von Redaktion

Das Urteil gegen Trump

Als 1974 die Watergate-Affäre ihren Höhepunkt erreichte, als die Beweise für die Bespitzelung der US-Demokraten und der Amtsmissbrauch durch den US-Präsidenten unleugbar waren, trat Richard Nixon zurück. Selbst die Treuesten der Treuen unter seinen Anhängern rückten von ihm ab.

50 Jahre später wird Donald Trump in 34 Anklagepunkten verurteilt, weitere, weit gravierendere Verfahren laufen gegen ihn. Die Reaktion des Verurteilten und seiner Parteifreunde ist: Offenkundige Beweise ignorieren, das Urteil wie all die anderen Verfahren als Verschwörung verunglimpfen, die Wähler gegen das Rechtssystem aufwiegeln.

Eine legitime Strategie Trumps wäre es, in die Berufung zu gehen und darauf zu verweisen, dass er als unschuldig gilt, bis die Revision entschieden hat. Tatsächlich aber ist völlig egal, wie der juristische Prozess weitergeht: Nach der US-Demokratie hat Trump auch den US-Rechtsstaat zerstört. Wenn er die Wahlen verlieren sollte, war es Wahlbetrug. Wenn er auch die Berufung verlieren sollte, ist es Teil der Verschwörung gegen ihn.

Das Erschreckende ist, dass (nach dem Scheitern Nikki Haleys bei den Vorwahlen) keiner seiner Parteifreunde diese Zertrümmerung des Kerns des US-Systems stoppt. Und es steht zu befürchten, dass auch Trumps Anhänger sich durch dieses klare Urteil nicht in ihrer vorgefassten Meinung beirren lassen. Natürlich: Die Bestechung einer Porno-Darstellerin ist gemessen an all den anderen Vorwürfen fast schon eine Kleinigkeit. Aber es ist ein Paradebeispiel für das Phänomen Trump: Seine konservativen Wähler, die Werte wie Monogamie und Ehe hochhalten, scheint Trumps in diesem Prozess breit diskutiertes Sex-Gebaren nicht im Mindesten zu stören.

Teil der traurigen US-Wahrheit ist aber auch, dass es für diese Wähler kein wirkliches Alternativ-Angebot gibt, wenn sie Joe Biden nicht wählen wollen. „Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue jemanden erschießen und würde trotzdem keine Wähler verlieren“, prahlte Trump. Am 5. November, dem Wahltag, wird die Welt sehen, ob er damit Recht behält.

Klaus.Rimpel@ovb.net

Artikel 1 von 11