Die Gefahren nehmen zu: Ein Mann sitzt in Burgau (Kreis Günzburg) in seiner Garage, die er vor dem Hochwasser der Mindel schützen will. © Foto: dpa
München – Der Begriff „Jahrhundertflut“ hat sich längst abgenutzt. Viel zu regelmäßig kommt es zu schweren Überflutungen. Die Ministerpräsidenten brauchten deshalb die aktuellen Bilder aus Süddeutschland gar nicht, als sie am 6. März einen Vorstoß zu einer Pflichtversicherung machten. Bei ihrer regelmäßigen Konferenz forderten sie die Ampel auf, „eine bundesweite Pflichtversicherung für Elementarschäden, die auch Sturmflutschäden umfassen sollte, einzuführen“.
„Die Länder sind sich da sehr, sehr einig. Es stockt etwas beim Bund – insbesondere bei einem der Koalitionspartner der Ampel, der FDP“, kritisiert Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Justizminister Marco Buschmann (FDP) hält nichts von einer Pflicht: Dies löse nicht das Problem der Gefahr von Gebäudeschäden und der damit verbundenen finanziellen Belastungen für die Bürger, erklärt eine Sprecherin des Justizministeriums. Sie verweist unter anderem auf den bürokratischen Aufwand durch die notwendigen Kontrollen. „Bei mehreren Millionen Wohngebäuden in Deutschland und dem dafür erforderlichen versicherungsrechtlichen Sachverstand ist diese Prüfung sehr aufwendig und kostenintensiv.“ Zudem würde eine Versicherungspflicht „das Wohnen in ganz Deutschland verteuern“.
Nach Angaben des Ministeriums schätzt die Versicherungsbranche die Kosten pro Einfamilienhaus auf 100 bis 2000 Euro pro Jahr. „Die Entscheidung, ob Hauseigentümer ihre Wohngebäude gegen Elementarschäden versichern wollen, sollte daher grundsätzlich jedem selbst überlassen bleiben“, folgert die Buschmann-Sprecherin. Nur mit „mehr Prävention“ könne es gelingen, Schadensfälle wirksam zu minimieren. „Hier sind gerade auch die Länder in der Pflicht.“ CDU und CSU fordern, dass neue Wohngebäudeversicherungen nur noch mit Elementarschadendeckung angeboten werden dürfen. Die Versicherten sollen aber nach Aufklärung über das Risiko, den Schaden selbst tragen zu müssen, die Möglichkeit haben, diese Option abzuwählen.
Für die Union ist eine Pflichtversicherung mit Ablehn-Recht notwendig, weil in stark belasteten Regionen die Prämien exorbitant steigen könnten, „sodass die Menschen im Vertrauen darauf, dass der Staat im Schadensfall einspringt, auf den Abschluss verzichten könnten“, sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich der „Augsburger Allgemeinen“. Damit müssten „letztlich alle Steuerzahler für Einzelschäden einstehen“.
Bettina Große, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Bayern, rät allen Hausbesitzern, eine Elementarschadenversicherung abzuschließen. Derzeit haben laut Bayerischer Versicherungskammer nur 52 Prozent aller Gebäude und 45 Prozent der Häuser im Freistaat eine entsprechende Versicherung. Wer an einem vom Hochwasser bedrohten Fluss oder Bach wohnt, muss allerdings teils horrende Versicherungssummen von bis zu mehreren zehntausend Euro im Jahr bezahlen. In solchen Fällen empfiehlt die Expertin, Angebote zu vergleichen und auf günstigere Angebote mit Selbstbeteiligung mit 1000 bis 5000 Euro zu setzen.
„Eine Elementarschadenversicherung ist immer der Zusatz zu einer Wohngebäude- oder Hausratversicherung“, so Große. „Die Wohngebäudeversicherung allein versichert alles, was fest mit dem Haus verbunden ist, auch die Garage. Die Hausratversicherung versichert alles, was rausfällt, wenn man das Haus umdrehen würde.“ Wichtig: Diese Versicherungen schützen nur bei Sturm und Hagel! „Die Überschwemmung ist in der Grundversicherung nicht mit dabei.“
Wer denkt, er müsse sich gegen Überschwemmungen nicht versichern, weil er weit weg von Flüssen oder Bächen lebt, wiegt sich laut Große in falscher Sicherheit: „Zunehmend gibt es Überschwemmungen an Stellen, wo man überhaupt nicht damit gerechnet hat. Das Wasser drückt mitten in der Stadt aus der Kanalisation hoch, das ist ganz unberechenbar“, so die Expertin. Auch die Verbraucherzentrale plädiert deshalb dafür, die Elementarschadenversicherung automatisch in die Verträge einzubeziehen – mit Ablehn-Möglichkeit.
In der Ampel gibt es Uneinigkeit beim Thema Pflichtversicherung: Anders als die FDP spricht sich der Grünen-Abgeordnete Stefan Schmidt dafür aus, weil viele Hausbesitzer „gar nicht um ihren unzureichenden Schutz wissen und abhängig vom politischen Wohlwollen“ seien. Buschmann täte gut daran, dem Wunsch der Länder nachzukommen und einen entsprechenden Gesetzentwurf zeitnah vorzulegen, sagt der Grünen-Politiker.