Politiker feiern sich ja gern für jeden auf Steuerkosten neu lackierten Gartenzwerg, als wär’s ein Weltwunder. Genauso läuft es umgekehrt: Geht irgendwo was schief, muss garantiert ein Politiker schuld sein. Diesem wunderlichen Muster folgen die Vorwürfe gegen Hubert Aiwanger in der Flutkatastrophe. Er war 2018 gegen Polder, hat er also jetzt mindestens eine Teilschuld an den Donau-Überschwemmungen? Das ist bequem, vor allem angesichts der nahenden Europawahl, aber es ist Unfug. Die Polder wurden nämlich später trotzdem beschlossen, wären aber aktuell wohl auch nicht zum Einsatz gekommen.
Das Problem, das hier mal wieder zutage tritt, liegt tiefer. Es betrifft Aiwanger und einige andere. Es geht um den Politikstil, vor Ort bei betroffenen Bürgern flammend dieses und jenes zu versprechen, was sie hören mögen, besonders gerne vor Kommunalwahlen, und dann außer Hörweite in der Hauptstadt ganz andere Beschlüsse zu vertreten. Das war so bei Polder-Entscheidungen und hat Zeit gekostet. Das war noch augenfälliger beim Stromtrassenbau. Vor Ort wetterten Politiker wie Aiwanger gegen neue Leitungen. Vor ein paar Wochen dann war es Aiwanger, der – hoppala – sogar den Bau einer dritten großen Trasse nach Bayern erbat. In dieser bizarren Widersprüchlichkeit ist er nicht allein. Als „Monstertrassen“ hatte 2015 CSU-Mann Horst Seehofer Masten und Leitungen bekämpft. Und wer genau hinschaut, findet auch kommunale Grüne, die gegen konkrete Erneuerbare-Energie-Projekte kämpfen, während die Parteispitze in München und Berlin staatstragende Klimareden hält.
Politik braucht mehr Mut, unbequeme Wahrheiten vor Ort zu vertreten. Widerstand auszuhalten. Im Moment dominiert ein Typus, der sich zu stark über Beifall im Bierzelt definiert; der zwar gern aneckt, aber nur im gegnerischen politischen Lager, dann mit ausgelutschtem „Lasse mir nicht den Mund verbieten“-Gehabe. Große Entscheidungen und echte Visionen, um unser Land zukunftsfähig zu machen, Transformationen zu schaffen, sind damit nicht zu machen. Christian.Deutschlaender@ovb.net