Der Hauptangeklagte Prinz Reuß muss sich seit Mai vor Gericht verantworten. © dpa/Roessler
Karlsruhe – Der Putz blättert ab, die Jalousien sind heruntergelassen, vermummte und bewaffnete Polizisten stehen vor der alten Pforte: Mit einer erneuten Razzia ist die Bundesanwaltschaft unter anderem in der Gemeinde Althengstett im Nordschwarzwald gegen mögliche Unterstützer der mutmaßlichen Terrorgruppe um den Reichsbürger-Ideologen Heinrich XIII. Prinz Reuß vorgegangen.
Ein Großaufgebot der Polizei durchsuchte gestern sieben Objekte und drei Grundstücke in Baden-Württemberg, Sachsen und Schleswig-Holstein. In abgehörten Telefonaten hätten einzelne Beschuldigte wiederholt von größeren Waffenlagern gesprochen, die bis dato nicht entdeckt wurden, berichtete der „Spiegel“. Die Maßnahmen richten sich nach Angaben der Bundesanwaltschaft gegen zwei Beschuldigte aus Baden-Württemberg.
Die Wohnräume von zwei Beschuldigten in Althengstett und Bad Teinach (beide Kreis Calw) wurden durchsucht sowie dortige Grundstücke. Die Beschuldigten, ein Mann im Alter von 73 Jahren und eine 63 Jahre alte Frau, stehen im Verdacht, der Reichsbürger-Gruppierung um Prinz Reuß zum Jahreswechsel 2021/2022 Räumlichkeiten in Sachsen für Rekrutierungsveranstaltungen zur Verfügung gestellt zuhaben. Die Frau soll zudem einem der mutmaßlichen Rädelsführer, Rüdiger v. P., im Herbst 2021 ein Auto überlassen haben. Ihnen werde Unterstützung einer inländischen terroristischen Vereinigung zur Last gelegt, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Festnahmen gab es allerdings keine.
Mutmaßlich führende Köpfe der Gruppe müssen sich derzeit vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main verantworten. Die sogenannten Reichsbürger behaupten, dass das Deutsche Reich (1871 – 1945) weiter existiert. Die Bundesrepublik und ihre Gesetze erkennen sie nicht an. Öffentlich bekannt geworden war die Gruppe infolge einer groß angelegten Anti-Terror-Razzia Anfang Dezember 2022 in mehreren Bundesländern und im Ausland. Dutzende Menschen wurden seitdem in dem Zusammenhang festgenommen.
Die Beschuldigten sollen vorgehabt haben, das politische System in Deutschland zu stürzen. Sie hätten bewusst Tote in Kauf genommen, meint die Anklage. In Grundzügen sollen sie schon Strukturen für eine eigene Staatsordnung ausgearbeitet haben. Als Staatsoberhaupt hätte Prinz Reuß fungieren sollen. Auch Ressorts seien schon verteilt gewesen: So hätte die ehemalige Berliner Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann für Justiz zuständig sein sollen. Auch ein ehemaliger Offizier des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr gehört zu den Beschuldigten.
In drei Prozessen an den Oberlandesgerichten Frankfurt, Stuttgart und ab dem 18. Juni auch in München sollen die Hauptbeschuldigten zur Verantwortung gezogen werden. In Frankfurt sagte am Dienstag ein Beamter des Bundeskriminalamts (BKA) zu den persönlichen Verhältnissen von Reuß aus. Es ging um Details etwa zu Firmenbeteiligungen und Internetauftritten von Reuß, die Zahl seiner Autos sowie seine Finanzen. In Stuttgart ist vor allem der militärische Teil der mutmaßlichen Terrorgruppe angeklagt. Dieser sollte laut Anklage die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchsetzen.
An den Durchsuchungsmaßnahmen am Dienstag waren mehr als 700 Beamte des BKA, der Bundespolizei sowie der Landespolizei von Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein beteiligt. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden führte im Erzgebirgskreis ebenfalls zwei Razzien gegen die Reichsbürgerszene durch.