Für einen kurzen Moment erlebte Israel wieder dieses Gefühl der Einigkeit. Und auch diesen Stolz auf eine Armee, die Heldentaten vollbringt – keine Verbrechen begeht, wie es den Israelis jetzt von der Weltgemeinschaft vorgeworfen wird. Doch die spektakuläre Befreiung von vier Geiseln aus den Fängen der Hamas konnte die Zerrissenheit der israelischen Gesellschaft nur kurz kitten.
Am Samstagabend demonstrierten wieder mehr als zehntausend Israelis für Frieden in Gaza. Und am Sonntagabend verließ Oppositionschef Benny Gantz das Kriegskabinett, in das er nach dem 7. Oktober eingetreten war, um zu signalisieren: Wir Israelis stehen als Einheitsfront gegen die Hamas.
Sein Austritt entlarvt nun, dass diese Einigkeit in Benjamin Netanjahus Israel nicht möglich ist. Der unbeliebte israelische Premier will die Geiselbefreiung zur Steigerung seiner Popularität nutzen. Aber das, was die befreite Geisel Noa Argamani erzählt, gibt eher seinen Gegnern Recht: Die 26-Jährige berichtet, dass ihr Mitgefangener Yossi Sharabi durch einen israelischen Raketenangriff getötet wurde. Das heißt: Netanjahus militärischer Brutalo-Kurs tötet nicht nur palästinensische Zivilisten. Er gefährdet auch die Leben der 120 jüdischen Geiseln, die seit acht Monaten einen Albtraum durchleben.
Klaus.Rimpel@ovb.net