München – Generalsekretär Kevin Kühnert spult am Sonntagabend die in diesen Fällen üblichen Stanzen ab. „Harte Niederlage“, „Fehlersuche“, „Kampf annehmen“. Man wolle aber „keine Sündenböcke“ suchen. Und über Olaf Scholz gebe es natürlich „keine Diskussionen zu führen“. Gerade ist klar geworden: Die SPD hat bei der Europawahl erneut an Boden verloren und landet bundesweit nur auf Platz drei. Ein schlechtes Ergebnis – und eine Klatsche für den Kanzler.
Denn die Sozialdemokraten haben im Wahlkampf als Zugpferd vor allem auf Olaf Scholz gesetzt, der auf Plakaten gemeinsam mit der sonst eher blassen Spitzenkandidatin Katarina Barley zu sehen war. Scholz gab dabei in erster Linie den Friedenskanzler. Andere große Themen, die den Deutschen Umfragen zufolge auf der Seele liegen, wie zum Beispiel die Migration, wurden weitgehend ausgeklammert.
Aufgegangen ist diese Strategie nicht. Das historisch schlechte Ergebnis von 2019 (15,8 Prozent) konnten die Sozialdemokraten nicht auswetzen. Schlimmer noch: Sie haben es noch einmal unterboten und wurden auch von der AfD abgehängt.
In der SPD dürfte es nun unruhig bleiben. Zuletzt wurde der populäre Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) als potenzieller Reservekanzler gehandelt, der statt Scholz bei der Bundestagswahl antreten könnte. Angeheizt hatte die Debatte SPD-Urgestein Franz Müntefering, der die Kandidatenfrage für noch offen hält.
Generalsekretär Kühnert wird bei seiner Fehlersuche nun wohl auch in der Wählerwanderung nach Antworten suchen. Auffällig dabei: Die SPD hat so viele Wähler wie keine andere Partei an das neue Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) verloren. Und sie hat nach der Union die zweitmeisten Wähler an die AfD abgegeben.
In Bayern hat es für die Sozialdemokraten sogar nur zu Platz vier gereicht, weil sie im Freistaat auch noch hinter den Grünen liegen. Zwar habe man das Ergebnis von 2019 weitestgehend gehalten, stellt Landeschef Florian von Brunn fest, er verbirgt aber auch seine Enttäuschung nicht. Von Brunns Analyse: „Wir sind aktuell als Sozialdemokraten auf Bundesebene eingeklemmt zwischen einer eiskalten marktliberalen Politik der FDP und einem massiven Ampelbashing, das die CSU statt eines Europawahlkampfs gefahren hat.“SEBASTIAN HORSCH