Nach Erfolg: Wohin steuert die AfD?

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Am Ende gibt es Blumen für den Spitzenkandidaten, der gar keiner ist. Auf der Bühne in Berlin stehen die AfD-Chefs Tino Chrupalla und Alice Weidel, neben ihnen ein junger Mann, der vielen unbekannt sein dürfte: René Aust, Listendritter der Partei für die Europawahl. Die skandalumwitterten Spitzenmänner Maximilian Krah und Petr Bystron fehlen, was zum verkorksten Wahlkampf passt.

Man kann das Ergebnis, das sie bei der Wahlparty ausgiebig bejubeln, auf verschiedene Arten deuten: Vom prophezeiten Rechtsruck hat die AfD weniger abbekommen als andere Parteien in Europa, das Ergebnis liegt auch klar hinter den Umfragehöhenflügen von vor einigen Monaten. Andererseits: zweiter hinter der Union, ordentlich zugelegt im Vergleich zu 2019. Chrupalla spricht von einem „super Ergebnis“. Die Erleichterung ist ihm anzuhören.

Ein Schlusspunkt nach katastrophalen Wahlkampf-Monaten, in denen sich alles um die Vorwürfe gegen Krah und Bystron drehte, ist das aber nur vordergründig. In der AfD stellen sich jetzt akute Fragen: Wie umgehen mit den beiden Spitzenmännern, die die Partei selbst bei ihrer Wahlparty noch versteckt? Und, eng damit verknüpft: Was tun, um im EU-Parlament nicht ganz im Abseits zu landen?

Die Lage ist schwierig. Weil die AfD selbst ihren bisherigen EU-Partnern zu radikal wurde, warfen die sie aus der gemeinsamen ID-Fraktion; nun stehen die Deutschen ohne Partner da. Im Grunde gibt es nur zwei Optionen: Entweder unternimmt sie noch einen Versuch, die ID-Fraktion um Marine Le Pens Rassemblement National zu besänftigen – indem sie Krah aus der AfD-Delegation ausschließt. Angeblich wird das diskutiert, ein klares Bekenntnis zu Krah und Bystron gibt es von der Parteispitze jedenfalls nicht.

Oder aber, die AfD sucht sich andere Partner, die noch weiter rechts stehen als die bisherigen. Krah soll mit diesem Modell sympathisieren und intern sogar mit einem Plan für eine neue ultrarechte Fraktion werben. Ihr könnten Parteien wie Reconquête aus Frankreich, Konfederacja aus Polen oder Wiedergeburt aus Bulgarien angehören. „Hooligan-Fraktion“ nennt Krah das. Gegner schimpfen das Modell „Resterampe“, nicht ganz zu unrecht. Krah und Co. könnten sich zwar unter ihresgleichen austoben, Wirkmacht hätten sie aber nicht.

In jedem Fall wäre es die Abkehr von jenen Rechtsaußenkräften, die die Gewinner dieser Wahl sind. In Österreich siegt die FPÖ deutlich, in den Niederlanden hat die Partei von Geert Wilders schon am Donnerstag ein starkes Ergebnis eingefahren. Und in Frankreich triumphiert Le Pens Rassemblement National.

Wie schlagkräftig Europas Rechte im neuen EU-Parlament sein werden, wird auch von der Französin abhängen, vor allem aber von der Italienerin Giorgia Meloni. Le Pen wirbt offen für eine Zusammenarbeit mit Melonis Fratelli d’Italia, die beide bisher unterschiedlichen Fraktionen angehören. „Dies ist der Moment, um unsere Kräfte zu vereinen“, sagte sie dem „Corriere della Sera“. Eine solche Gelegenheit dürfe man nicht verstreichen lassen.

Meloni aber ist hin- und hergerissen. Auf der anderen Seite wirbt auch die EVP um Parteichef Manfred Weber und Kommissionschefin Ursula von der Leyen um sie. Ob es also zur großen Vereinigung der beiden Rechtsfraktionen ID und EKR – und den bisher fraktionslosen Abgeordneten der Fidesz von Viktor Orbán – kommen wird, ist offen. Anläufe dazu scheiterten bisher stets. Vor allem der Blick auf Russland und die Nato trennt Meloni und Le Pen bisher.

Die Fraktionsfrage stellt sich auch für eine weitere Partei mit populistischer Haltung: das Bündnis Sahra Wagenknecht. Aus dem Stand schafft das BSW am Sonntag mehr als 5 Prozent und wird damit deutlich stärker als die Linke, aus der sie hervorging. Parteigründerin Sahra Wagenknecht nennt das Ergebnis „grandios“. Sie sei erleichtert und freue sich riesig.

In der AfD übt man sich in Zuversicht. René Aust, der Interims-Spitzenkandidat, spekuliert auf eine Wiederannäherung an die anderen Rechtsaußenparteien. Am Montag nehme man die Kontakte wieder auf, sagte er. Die Frage ist nur: mit oder ohne Krah?

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