Der Poker um die Spitzenposten beginnt

von Redaktion

Was muss Ursula von der Leyen anderen Parteien bieten, um ihre Wiederwahl als Kommissionschefin zu sichern?

Das neue EU-Parlament: Die EVP bleibt stärkste Kraft, doch die Suche nach einer Mehrheit wird nicht einfach.

Brüssel – Nach der Europawahl hat der Poker um die künftige Besetzung von EU-Spitzenposten begonnen. Das Mitte-Rechts-Bündnis EVP forderte am Montag Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf, die Wiederwahl von Ursula von der Leyens als EU-Kommissionspräsidentin zu unterstützen. Als Gegenleistung soll es im Europäischen Parlament eine Zusammenarbeit geben. „Wir bieten jetzt Sozialdemokraten und Liberalen die ausgestreckte Hand an und ich warte auf Rückmeldung“, sagte EVP-Chef Manfred Weber (CSU).

Angesichts des klaren Wahlsiegs des Mitte-Rechts-Bündnisses EVP gilt es als wahrscheinlich, dass die CDU-Politikerin von der Leyen eine zweite Amtszeit als Präsidentin der mächtigen Europäischen Kommission bekommt. Für die dafür notwendige Wahl im Europäischen Parlament ist sie allerdings auf die Unterstützung anderer Parteienfamilien wie den Sozialdemokraten und Liberalen angewiesen. Diese dürften im Gegenzug erwarten, andere Spitzenposten besetzen zu dürfen..

Insbesondere geht es dabei um das Amt des EU-Ratspräsidenten sowie des EU-Außenbeauftragten. Als EU-Ratspräsident leitet derzeit der belgische Liberale Charles Michel die Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs, EU-Chefdiplomat war in den vergangenen fünf Jahren der spanische Sozialdemokrat Josep Borrell. Als möglicher Kandidat für den Ratschef-Posten gilt derzeit der frühere portugiesische Regierungschef António Costa, als mögliche Kandidatin für das Amt des Außenbeauftragten die estnische Regierungschefin Kaja Kallas. Costa ist Sozialist und Kallas Liberale.

Damit die bisherige EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen eine zweite Amtszeit antreten kann, muss der Europäische Rat – das Gremium der Staats- und Regierungschefs – sie mit qualifizierter Mehrheit dem Europaparlament als Kandidatin vorschlagen. Das heißt: Neben den 13 Staats- und Regierungschefs, die der gleichen Parteienfamilie angehören wie sie, müssen noch mindestens drei weitere Chefs von großen Mitgliedstaaten für sie stimmen. Danach steht dann die offizielle Wahl im Europäischen Parlament an.

Dort wird das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit den deutschen Parteien CDU und CSU nach jüngsten vorläufigen Wahlergebnissen künftig auf 185 Sitze (zuletzt 176 von 705) und damit auf mehr als ein Viertel der nun 720 Sitze kommen. Zweitstärkstes Lager bleiben demnach die Sozialdemokraten. Sie kommen auf 137 Mandate (zuletzt 139). Danach folgen die Liberalen, die auf 79 Sitze abrutschen (zuletzt 102), sowie die zwei bisherigen rechtspopulistischen Parteienbündnisse EKR und ID, die teils deutlich gewinnen: EKR kommt auf 73 (zuletzt 69) Sitze, ID auf 58 (zuletzt 49).

Möglich ist auch eine Zusammenarbeit mit Rechtsaußen-Parteien. Infrage kommen dafür etwa die Fratelli d‘Italia (Brüder Italiens) von Italiens rechter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und die französische Partei Rassemblement National von Marine Le Pen.

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