EU-Diplomat: Deutschland ist das neue Ungarn

von Redaktion

Berlin bremst bei Plänen für ein neues Sanktions-Paket – Aber Einsatz gegen marode Öl-Flotte

Es bleibt schwierig: Annalena Baerbock empfindet das Zögern als problematisch. © dpa

Berlin/Brüssel – Innerhalb der Bundesregierung gibt es Streit über die deutsche Positionierung zu geplanten neuen Russland-Sanktion der EU. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sieht das Auswärtige Amt Vorbehalte des Kanzleramts gegen das Sanktionspaket mittlerweile als problematisch und imageschädigend an. Hintergrund ist, dass Deutschland damit zuletzt alleine dastand.

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es vor neuen Gesprächen in Brüssel, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) habe in den vergangenen zwei Jahren intensiv daran gearbeitet, bei den europäischen Partnern verlorenes Vertrauen aufgrund der alten Russlandpolitik wiederherzustellen. Dieses Vertrauen dürfe nun nicht wieder verspielt werden.

Der ständige Vertreter der Bundesrepublik bei der EU hatte bis zuletzt nicht die Erlaubnis aus Berlin, dem nächsten Paket mit Russland-Sanktionen der EU zuzustimmen. Nach Angaben von Diplomaten in Brüssel waren die deutschen Bedenken und Änderungswünsche eine entscheidende Bremse. Zuletzt habe es sich angefühlt, als ob Deutschland das neue Ungarn sei, sagte ein EU-Beamter in Anspielung darauf, dass die Budapester Orban-Regierung immer wieder Entscheidungen für Russland-Sanktionen verzögert hatte.

Mit den geplanten neuen EU-Strafmaßnahmen soll gegen die Umgehung von bestehenden Sanktionen vorgegangen werden. Diese führt beispielsweise dazu, dass Russlands Rüstungsindustrie noch immer westliche Technologie nutzen kann, um Waffen für den Krieg gegen die Ukraine herzustellen. Zudem ist geplant, erstmals scharfe EU-Sanktionen gegen Russlands milliardenschwere Geschäfte mit Flüssigerdgas (LNG) zu verhängen.

Baerbock selbst sagte am Freitag: „Für uns als Bundesregierung ist vollkommen klar: Wir müssen als EU den Sanktionsdruck aufrechterhalten.“ Beim Treffen der Außenminister des Ostseerats im finnischen Porvoo in der Nähe der Hauptstadt Helsinki sagte sie: „Deswegen arbeiten wir im Auswärtigen Amt mit Hochdruck daran, dass wir jetzt in den unterschiedlichen Teilen des Sanktionspaketes und auch im Blick auf Belarus zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen.“

Baerbocks Ministerkollegen im Ostseerat vereinbarten zudem, sich gemeinsam gegen umstrittene russische Öl-Exporte auf kaum seetauglichen Schiffen zur Wehr zu setzen. Mehrere westliche Länder werfen Russland vor, damit Sanktionen der EU zu umgehen. So wolle Russland sich einem westlichen Preisdeckel für russische Ölexporte in Drittstaaten durch Schiffe entziehen, die nicht in Hand westlicher Reedereien sind oder nicht von westlichen Versicherungen versichert wurden. Das stelle jedoch eine große Gefahr für die Meere dar. Dem 1992 gegründeten Ostseerat gehören die acht Ostseeanrainer Deutschland, Dänemark, Estland, Finnland, Litauen, Lettland, Polen und Schweden sowie Island, Norwegen und die EU an.

Klare Worte fand zumindest der G7-Gipfel unterdessen Richtung China. Nach dem Entwurf der Abschlusserklärung forderte die Gruppe großer Industriestaaten einen Stopp der Lieferung von Waffenteilen an Russland, warnte Peking vor einer weiteren Eskalation im Südchinesischen Meer und verurteilte Chinas „schädliche Überkapazitäten“ im internationalen Handel. „Chinas anhaltende Unterstützung für die russische Rüstungsindustrie“ ermögliche es Russland, „seinen illegalen Krieg in der Ukraine fortzusetzen“, heißt es. Die G7 drohen weiter mit Sanktionen gegen Akteure, „die Russlands Kriegsmaschinerie materiell unterstützen“.
DPA/AFP

Artikel 7 von 11