Ein ungewöhnliches Ständchen: Joe Biden stimmt im Kreis der G7-Chefs ein „Happy Birthday“ für Olaf Scholz (von hinten zu sehen) an. © Steffen Kugler/Bundesregierung/dpa
Bari – Zu Hause ist Olaf Scholz nach dem Desaster seiner SPD bei der Europawahl in massiven Schwierigkeiten, beim G7-Gipfel in Italien wird der Kanzler dagegen gefeiert – wenigstens für ein paar Minuten. Als er am Morgen seines 66. Geburtstags zur ersten Arbeitssitzung am Konferenzraum des Luxushotels „Borgo Egnazio“ eintrifft, obwohl er mit einigen Vertrauten schon in der Nacht reingefeiert hat, nimmt der von ihm meist geschätzte Kollege die Sache in die Hand. „Es ist der Geburtstag des Kanzlers“, sagt Joe Biden. „In der Biden-Familie muss man ,Happy Birthday‘ zum Geburtstag singen.“ Dann stimmen mit dem US-Präsidenten alle in das Ständchen für „Dear Olaf“ ein. Selbst Emmanuel Macron, mit dem Scholz nie richtig warm geworden ist, umarmt ihn rechts und links.
Für Scholz sind die paar Tage Gipfelmarathon – vom Wiederaufbautreffen für die Ukraine in Berlin über den G7 bis zur Friedenskonferenz in der Schweiz – eine willkommene Abwechslung. Und die Gruppe bringt in entscheidenden Fragen auch Weitreichendes zustande. Ein 50 Milliarden US-Dollar schweres Kredit-Paket, finanziert aus Zinserträgen aus eingefrorenem russischem Vermögen soll die Widerstandsfähigkeit der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland sichern. Für Scholz ein „historischer Schritt“.
Nach mehr als einem Dutzend anderen Verbündeten haben nun auch die USA mit der Ukraine ein Sicherheitsabkommen, das militärische Unterstützung und Zusammenarbeit über zehn Jahre sichern soll. Für Biden ist es eines von mehreren Zeichen an Kremlchef Wladimir Putin, die vom G7-Gipfel ausgehen: „Ja, immer und immer und immer wieder werden wir sagen, wir werden der Ukraine zur Seite stehen.“ Die Gruppe stellt sich zudem hinter Bidens Friedensplan für Gaza.
Komplett ist die Harmonie aber nicht. Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die auf dem internationalen Parkett eigentlich als Pragmatikerin gilt, schert an einer Stelle aus. Die Gastgeberin verhindert, dass die Runde ihr Bekenntnis zum Recht auf Abtreibung erneuert – als einzige Frau unter den Sieben.
Meloni schafft es aber, den Gipfel-Horizont zu erweitern. Auf ihre Einladung nimmt in fast einem halben Jahrhundert G7-Geschichte erstmals ein Papst an einem Gipfel teil, übrigens wohl der größte Abtreibungsgegner der versammelten Runde. Dabei sind auch Vertreter des sogenannten globalen Südens wie Brasiliens Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva oder Indiens Regierungschef Narendra Modi – ein Zeichen, wie die Welt sich gerade ändert.
Die Begrüßung der verschiedenen Beteiligten an der Adria-Küste, inmitten von Olivenbäumen und Bougainvilleen, fällt in der Regel äußerst freundlich aus. Papst Franziskus wird sogar von seinem Landsmann, Argentiniens Präsident Javier Milei, geherzt, der ihn vergangenes Jahr noch einen „Kommunisten“ und ein „Stück Scheiße“ genannt hatte.
Der Papst nutzt seinen Auftritt in großer Runde, um von der Politik Regeln für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz zu verlangen. Bei aller Begeisterung über die Möglichkeiten von KI müsse letztlich der Mensch entscheiden, nicht Maschinen. Insbesondere forderte er, den Einsatz von tödlichen autonomen Waffen zu verbieten.
Am Samstag geht es für Scholz und andere weiter zum nächsten Gipfel in die Schweiz. Auf dem Bürgenstock, einem Bergrücken am Vierwaldstätter See, soll es um erste kleinste Schritte auf dem Weg zu einer Friedenslösung für die Ukraine gehen. Aber einige werden fehlen. Biden will schon am Freitagabend zurück in die USA fliegen, um in Los Angeles mit Hollywood-Stars wie Julia Roberts und George Clooney Spenden für seinen Wahlkampf zu sammeln. China hatte schon vorher eine Teilnahme abgesagt – auch, weil Russland dort nicht eingeladen ist.
Russlands Präsident Putin grätscht am Freitag von der Seite in die Vorbereitungen und macht einen Vorschlag für eine Friedenslösung, der aus ukrainischer Sicht abwegig ist: Abzug der ukrainischen Truppen aus den von Russland annektierten Gebieten. Wenn die Ukraine dann noch einer Mitgliedschaft in der Nato abschwöre, sei Russland bereit, das Feuer einzustellen und zu verhandeln. Nicht umsonst nennt Scholz den Friedensgipfel immer wieder ein zartes „Pflänzchen“, das vorsichtig gepflegt werden müsse.