Leben wir eigentlich in kirchenfernen Zeiten? Oder vielleicht noch schlimmer in einer Zeit, in der die Zahl der Menschen zurückgeht, die ein Leben im christlichen Sinne führen wollen oder können?
Die vielen Kirchenaustritte zeigen, es gibt offenbar einen allgemeinen Trend zur Säkularisierung in unserem Lande. Der trifft beide Kirchen.
Die Wiedervereinigung mit der Entstehung der Berliner Republik war hier keineswegs hilfreich. In den neuen Bundesländern wird die vom Kommunismus gepredigte Gottlosigkeit munter weitergelebt. Statt Kommunion oder Konfirmationen werden nach wie vor Jugendweihen gefeiert, obwohl das niemand mehr vorschreibt.
Was sich im politischen Leben verändert hat, zeigt sich besonders gut an der Figur des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Er war Rom gegenüber immer sehr distanziert. Aber er war ein gläubiger Katholik. Ob zuhause am Rhein oder in seinem Urlaubsort in den Bergen, überall war der Besuch der sonntäglichen Messe für ihn selbstverständlich. Damals gab es auch noch Priester, die sich nicht gescheut haben, vorsichtig von der Kanzel aus Wahlempfehlungen zu geben. Überhaupt sind wir in den ersten Jahren der Bundesrepublik sozusagen vom rheinischen Katholizismus regiert worden. Und auch in Europa, wie zum Beispiel im benachbarten Italien, waren betont christliche Politiker vorherrschend.
Damit sind wir nicht schlecht gefahren, aber es wäre falsche Nostalgie, sich so etwas zurückzuwünschen. Das Grundgesetz hat uns zum Glück einen Staat beschert, der allen Kirchen und Glaubensrichtungen gegenüber neutral ist.
Wenn aber heute nicht nur die Kirche, sondern die Theologie überhaupt als Leitbild für unser Leben zurückgedrängt wird, dann bleibt die Frage, ob das, was an dessen Stelle tritt, besser ist? Den christlichen Glauben durch Psychologie zu ersetzen, ist das ein wirklicher Fortschritt und ein Gewinn für unser Leben?
Ich meine nicht. Ich meine, dass ein im christlichen Geiste und mit christlichen Werten geführtes Leben allemal besser ist als ein Leben, das sich nur am Materialismus oder politischen Heilslehren orientiert.
Das Neue Testament, die Worte und Taten des Jesus von Nazareth, enthält das unendlich Kostbare auch für Leser, die nicht alles glauben mögen, was die Kirchen dogmatisch damit verbinden. In der Bibel zu lesen ist aber schon von der Sprache her ein bleibender Gewinn. Die vertrauten Lieder unserer Gesangbücher bis zu dem vor einigen Jahren erneuerten „Gotteslob“ sind dazu großartige Sprachdokumente unserer Kirchen. Wer darin liest, wer die wunderbaren Lieder mitsingen kann, wird immer wieder beschenkt in der Gewissheit des ewigen Ursprunges. So bleiben beide Kirchen allein schon durch die mit ihnen verbundenen Texte unverändert relevant für jeden, der einmal aus dieser Quelle getrunken hat.
Darüber hinaus im festen christlichen Glauben stehen zu können, das ist eine Gnade, die im Laufe der Zeiten eher weniger Menschen zuteil geworden ist. Sie geht weit hinaus über ein bloßes Kulturchristentum.
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