François Hollande zurück auf der politischen Bühne

von Redaktion

Frankreich in Aufruhr: Im Eiltempo muss sich die Opposition neu formieren – Profitiert Emmanuel Macron?

Aufstand von links: Auch diese Frauen protestierten am Samstag in Paris gegen einen Rechtsruck in Frankreich. © epa

Paris – Mit seinem mächtigen Präsidenten und der Pariser Zentralregierung vermittelt Frankreich zumeist ein Bild politischer Stabilität. Seit Präsident Emmanuel Macron aber als Reaktion auf die Niederlage seiner liberalen Kräfte bei der Europawahl und den Sieg der Rechtsnationalen überraschend Neuwahlen angesetzt hat, greift ein Gerangel um Bündnisse und Posten in Frankreichs Politik um sich. Es kommt zu chaotischen Szenen. Auch Ex-Präsidenten schalten sich ein.

Und die Bürger melden sich zu Wort: Am Wochenende demonstrierten mindestens 250000 Menschen in Paris und vielen Städten gegen das Erstarken des rechten Lagers. „Man muss nicht RN wählen, um Frankreich zu lieben“ und auch „Nie wieder“ stand auf Transparenten von Demonstranten in Marseille. Die bange Frage vieler Menschen ist, ob die Brandmauer gegen rechts dieses Mal noch hält.

Die Franzosen reiben sich entgeistert die Augen angesichts des Spektakels, das die Oppositionsparteien ihnen vor der Wahl bieten – diese ist in zwei Durchgängen für 30. Juni und 7. Juli angesetzt. In einer der Hauptrollen: der Chef der bürgerlich-konservativen Partei Les Républicains, Éric Ciotti, der die Parteizentrale abriegeln lässt, um eine Sitzung zu seinem Rauswurf zu verhindern, mit Tauziehen bis vor Gericht und geheimen Beratungen mit der extremen Rechten.

Ciotti hatte Anfang der Woche überraschend und unabgestimmt eine Kooperation mit Marine Le Pens rechtsnationalem Rassemblement National (RN) sondiert. Führungskräfte der einstigen Volkspartei, die zuletzt mit Nicolas Sarkozy von 2007 bis 2012 den Präsidenten stellte, empörten sich über diesen Tabubruch und warfen Ciotti aus der Partei – binnen drei Tagen gleich zweimal, weil Ciotti den Entscheid nach den Statuten für ungültig hielt.

Am Freitagabend hob ein Pariser Gericht Ciottis Rauswurf in einem Eilentscheid vorläufig auf: Bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens bleibt er Parteichef. Ex-Präsident Sarkozy kritisierte Ciottis Alleingang: Dieser hätte sich mit Führungsgremien der Partei beraten und einen kurzfristigen Mitgliederentscheid organisieren müssen. Von Ciottis Rechtskurs hält Sarkozy nichts: „Ich halte an meinen Überzeugungen fest. Ich teile seine nicht.

Auch im linken Lager läuft es nicht. Zwar kündigte ein neues Bündnis aus Sozialisten, Linkspartei, Grünen und Kommunisten ein gemeinsames Antreten zur Wahl an – aber ohne einen Spitzenkandidaten zu benennen. Denn trotz der vor den TV-Kameras inszenierten Einigkeit gibt es ein Kräftemessen zwischen Sozialisten und Linkspartei. Die Führungsfigur der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, will Premierminister werden. Anders als vor der Europawahl sind aber nicht mehr die Linken stärkste Partei des Lagers, sondern die Sozialisten, die bei der Europawahl mit ihrem Kandidaten Raphaël Glucksmann punkteten.

Glucksmann sprach sich gegen Mélenchon als Spitzenkandidaten aus, auch anderen ist der Alt-Linke ein Dorn im Auge. Der Strippenzieher Mélenchon aber gibt sich nicht geschlagen und setzte seinen Willen bei der Aufstellung der Kandidatenliste durch. Von „Säuberung“ und „Sektierertum“ war die Rede, als verdiente Abgeordnete sich nicht auf der Liste wiederfanden – wie etwa Alexis Corbière, der Mélenchon vorwarf, „seine Rechnungen zu begleichen“. Mélenchon konterte: „Listenplätze auf Lebenszeit gibt es nicht.“

Die Grüne Marine Tondelier äußerte sich „extrem schockiert“ über die Vorgänge bei der Linkspartei. Auch andere im Bündnis reagierten irritiert – kein guter Start für die neue Allianz. Diese erhielt unerwartet Unterstützung von Ex-Präsident François Hollande (69), der seine Kandidatur als Abgeordneter ankündigte. „Noch nie war die extreme Rechte so nah an der Macht. In unserem Land herrscht politische Verwirrung“, sagte der Sozialist. Angesichts dieser Lage habe er beschlossen anzutreten.

Macron könnte das Chaos links und rechts seines Mitte-Lagers in die Karten spielen – auf jeden Fall präsentierte er seine Bewegung als den einzigen Garanten für Stabilität. Die Blöcke seien sich bei keiner Zukunftsfrage einig und könnten keine regierungsfähige Mehrheit bilden. Macron: „Ich glaube fest, dass nur die politischen Kräfte, die heute die Präsidentenmehrheit bilden, die Fähigkeit haben, ein kohärentes, realistisches und zukunftsweisendes Regierungsprojekt voranzubringen.“ M. EVERS

Artikel 1 von 11