KOMMENTARE

Scholz auf Diplomatie-Mission

von Redaktion

Friedensgipfel in der Schweiz

Es sind Zahlen, die stutzig machen: Lediglich 92 der 160 eingeladenen Staaten nahmen an der Friedenskonferenz zum Ukraine-Krieg teil. Das sind gerade einmal 57,5 Prozent. Heißt das im Umkehrschluss, dass die restlichen 42,5 Prozent den russischen Aggressor unterstützen? Zumindest stehen sie nicht unmittelbar an der Seite der angegriffenen Ukraine. Die Wahrheit ist: Jenseits des Westens gehört Russlandnähe zum politischen Geschäft. So glänzte China, Moskaus engster internationaler Verbündeter, durch Abwesenheit bei dem Friedensgipfel. Der indische Ministerpräsident Narendra Modi befand sich wegen des G7-Treffens zwar in Europa, in der Schweiz ließ er sich allerdings von einem einfachen Staatssekretär vertreten. Eine ganz unverblümte Botschaft.

Der Gipfel wirkt mal wieder wie ein Brennglas auf die Tatsachen, dass nicht alle Länder auf der Welt der Ukraine-Krieg gleich (be)trifft. Doch für einen Frieden braucht es jeden guten Draht nach Moskau. Kein Wunder herrschte deswegen bei dem Schweizer Gipfel überraschende Einigkeit darüber, dass man mittelfristig auch Russland mit an den Verhandlungstisch holen muss. Kanzler Olaf Scholz, der sonst nicht für seine klare Kante bekannt ist, formulierte einen deutlichen Handlungsauftrag – und zwar an beide Kriegsparteien.

Dahinter steckt auch innenpolitisches Kalkül. Nach der SPD-Schlappe bei der Europawahl will Scholz die Menschen abholen, deren Kriegsmüdigkeit sie in die Arme von russlandfreundlichen Parteien getrieben hat. Das neue BSW propagiert penetrant den Dialog mit dem Kremlherrscher – inklusive absurdester Zugeständnisse seitens der Ukraine. Mit seiner Diplomatie-Schiene trifft Scholz einen Nerv: Laut der jüngsten Insa-Umfrage ist ein Großteil der Deutschen (58 Prozent) wegen der Ukraine-Unterstützung besorgt, sich selbst in sicherheitspolitische Gefahr zu begeben. Auch wenn der Ukraine-Gipfel nicht den großen Frieden heraufbeschworen hat, hat er den Weg für Gespräche ein klein wenig geebnet. Denn am Ende geht es nicht ohne Diplomatie. redaktion@ovb.net

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