Modelle für Asylverfahren in Drittstaaten

von Redaktion

Kein Vorbild ist direkt auf Deutschland übertragbar – Experten sehen viele Hürden

Eine von Italien betriebene Asyl-Einrichtung im albanischen Shëngjin. © afp

München – Seit Monaten gibt es Forderungen, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern. Dies war gestern auch Thema beim Bund-Länder-Gipfel mit Kanzler Olaf Scholz (SPD). Das Bundesinnenministerium hatte dazu im Vorfeld eine Reihe von Experten aus dem In- und Ausland befragt. Die Zweifel, dass das funktioniert, waren dabei groß. Ein Überblick: Ruanda-Modell: Großbritannien plant die Auslagerung von Asylverfahren ins afrikanische Ruanda. Illegal eingereiste Menschen sollen dorthin abgeschoben werden, ohne dass ihre Herkunft oder ihr Asylantrag vorher geprüft werden. Das Asylverfahren findet dann in Ruanda, das als sicherer Drittstaat eingestuft wurde, nach dortigem Recht statt. Selbst bei einer Anerkennung dürfen die Betroffenen nicht nach Großbritannien zurück.

Laut britischem Rechnungshof kostet es mehr als 500 Millionen Pfund (592 Millionen Euro), die ersten 300 Asylbewerber nach Ruanda zu bringen. Erste Abschiebeflüge hat die konservative Regierung für den kommenden Monat angekündigt. Ob es dazu kommt, ist nicht nur wegen der vorgezogenen Parlamentswahl am 4. Juli höchst ungewiss: Die in den Umfragen haushoch führende, linksgerichtete Labour-Partei hat schon angekündigt, das Vorhaben einzustampfen. Albanien-Modell: Als erstes EU-Land plant Italien Asylverfahren in einem anderen Land. Dabei würden im Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge nach Albanien gebracht. Anders als beim Ruanda-Modell würde Italien vor Ort die Asylverfahren selbst nach italienischem und EU-Recht mit eigenen Beamten organisieren. Wer als schutzbedürftig anerkannt wird, würde nach Italien gebracht. Abgelehnte Asylbewerber würden von Albanien aus abgeschoben.

Vereinbart mit Albanien wurde im November die Aufnahme von bis zu 3000 Migranten gleichzeitig. Die Kosten, die auch den Bau von zwei Aufnahmelagern umfassen, werden über fünf Jahre auf mindestens 650 Millionen Euro beziffert. Hinweg-Modell: Hierbei werden auf den Transitrouten etwa in afrikanischen Ländern Anlaufstellen geschaffen, bei denen zumindest eine Vorprüfung des Asylgesuchs stattfinden würde. Der Vorteil: Schutzsuchende müssten sich nicht auf die gefährliche Reise nach Deutschland begeben, um einen Asylantrag zu stellen. Das sagen die Experten: Viele Sachverständige hätten sich „skeptisch bis kritisch zu den rechtlichen und tatsächlichen Umsetzungsmöglichkeiten“ solcher Modelle für Deutschland geäußert, heißt es im „Sachstandsbericht“ für die Bund-Länder-Konferenz. Einige der Experten hätten solche Modelle klar abgelehnt. Die Mehrzahl hielt es nicht für erwiesen, dass solche Modelle tatsächlich einen Abschreckungseffekt auf Migranten hätten, wie dies von den Befürwortern vorgebracht wird. Befragt wurden 28 Juristen, Wissenschaftler sowie Vertreter von Regierungen, Hilfsorganisationen und internationalen Organisationen. Rechtliche Probleme: Der Sachstandsbericht kommt zu dem Schluss, dass internationales und EU-Recht Asylverfahren in Drittstaaten „zwar nicht grundsätzlich ausschließt“. Weder das Ruanda- noch das Albanien-Modell seien aber „unter den gegebenen rechtlichen und praktischen Rahmenbedingungen in dieser Form“ auf Deutschland übertragbar. Denn Deutschland unterliege national und EU-rechtlich anderen Rahmenbedingungen als Großbritannien, das die Europäische Union verlassen hat. Und anders als Italien sei Deutschland kein Mittelmeeranrainer. Schutzsuchende hätten deshalb bereits das nationale Territorium erreicht und unterlägen deshalb „der vollständigen nationalen und europäischen Jurisdiktion“. Ist das Thema also erledigt? Nein. Der politische Druck, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern, ist groß. Die Union will dazu nun einen Antrag in den Bundestag einbringen. Auch das Innenministerium betont, es handele sich nur um einen Zwischenbericht.

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