Julian Assange im Jet auf dem Weg zur Zwischenlandung in Bangkok. Er kommt wohl auf freien Fuß. © AFP PHOTO / @wikileaks
London/Bangkok – Julian Assange hat im jahrelangen Streit um seine Auslieferung einen Deal mit den USA geschlossen und kommt auf freien Fuß. Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks soll sich vor einem US-Gericht wegen Spionage schuldig bekennen und zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt werden. Das entspricht der Zeitspanne, die der Whistleblower in London bereits in einem Hochsicherheitsgefängnis saß.
Im Gegenzug bleibt dem 52-Jährigen eine weitere Haft in den USA erspart, die bisher seine Auslieferung verlangt hatten. Stattdessen soll Assange freigelassen werden und dann in seine Heimat Australien reisen. Das geht aus US-Gerichtsdokumenten hervor. Seine Ehefrau bestätigte die Abmachung. Er werde sich in einem Anklagepunkt im Zusammenhang mit dem US-Spionagegesetz schuldig bekennen, sagte Stella Assange der BBC.
Dass ein solcher Deal den Schlusspunkt unter den Fall Assange setzen würde, war seit Monaten spekuliert worden. Der Zeitpunkt kommt dennoch überraschend. Unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde Assange am Montag aus dem Gefängnis Belmarsh in London entlassen und zum Flughafen Stansted gebracht. Ein Video, das Wikileaks in der Nacht zum Dienstag veröffentlichte, zeigt, wie der Australier in Hemd und Jeans, eine Brille ins Haar geschoben, den Jet bestieg.
Die USA werfen ihm vor, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Assanges Unterstützer sehen ihn hingegen wegen des Aufdeckens von US-Kriegsverbrechen im Visier der Justiz aus Washington. Bei einer Verurteilung ohne „Deal“ könnten Assange wegen Spionage bis zu 175 Jahre Haft drohen.
Am Mittag landete die Maschine, in der Assange vermutet wurde, auf einem Flughafen in Bangkok. Wikileaks postete ein Foto von Assange im Flugzeug. Australischen Medien zufolge sollte die Maschine weiter auf das entlegene US-Außengebiet im Westpazifik führen.
Dort soll Assange heute auf der Insel Saipan vor einem US-Gericht erscheinen. In einem Brief des US-Justizministeriums an die zuständige Richterin Ramona Manglona heißt es, der Ort sei gewählt worden, da Assange nicht in die Vereinigten Staaten habe reisen wollen und die Inselgruppe nahe an Australien liege. Es werde erwartet, dass sich Assange bei dem Gerichtstermin der Verschwörung zur unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig bekennen werde, hieß es in dem Brief des US-Top-Beamten Matthew J. McRenzie. Im Anschluss solle der Australier in seine Heimat weiterreisen.
Wikileaks teilte mit, es habe lange Verhandlungen mit dem US-Justizministerium gegeben. Nach mehr als fünf Jahren „in einer zwei mal drei Meter großen Zelle, in der er 23 Stunden am Tag isoliert war“, werde Assange aber bald wieder mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern vereint sein, „die ihren Vater bislang nur hinter Gittern kennen“. Die Kinder wussten zunächst laut Familie noch nicht Bescheid, ihnen wurde nur eine „große Überraschung“ angekündigt.
Seine Ehefrau wartete in Australien auf Assange. Stella Assange veröffentlichte ein Foto, das den Angaben zufolge in Sydney aufgenommen wurde und ein Videotelefonat mit ihrem Ehemann vom Flughafen Stansted zeigt.
„Ehrlich gesagt ist es einfach unglaublich, es fühlt sich an, als wäre es nicht real“, sagte Stella Assange in dem BBC-Interview. Die vergangenen Tage hätten einen Sturm der Gefühle ausgelöst. Sie habe noch keine Zeit gehabt zu besprechen, was das Paar nach der Freilassung tun werde. Priorität habe, dass ihr Ehemann „wieder gesund wird – er ist seit fünf Jahren in einem schrecklichen Zustand“. Seine Unterstützer hatten wiederholt die schlechte Gesundheit des Wikileaks-Gründers beklagt.
Australiens Regierungschef Albanese begrüßte Assanges Freilassung. „Durch seine fortgesetzte Inhaftierung ist nichts zu gewinnen, und wir wollen, dass er nach Australien zurückgebracht wird“, sagte er. Der frühere US-Vizepräsident Mike Pence kritisierte hingegen die Regierung von US-Präsident Joe Biden. „Julian Assange hat das Leben unserer Soldaten in Kriegszeiten gefährdet und hätte im vollen Umfang des Gesetzes strafrechtlich verfolgt werden müssen“, sagte Pence.