Die AfD, die Heimat und die Resterampe

von Redaktion

Brandenburg und Brüssel: Arbeitet die „Alternative“ bald offen mit Rechtsextremen zusammen?

„Sehr erschreckt“: Brandenburgs AfD-Chef Springer. © dpa

München – Brandenburgs AfD-Chef klang ziemlich irritiert: Er habe geglaubt, dass so etwas nicht möglich sei, ließ René Springer wissen. Der Vorgang habe ihn „sehr erschreckt“. Um den Schaden einzudämmen, kündigte er ein Ausschlussverfahren gegen drei seiner Parteifreunde an, unter anderem wegen „des erheblichen Verstoßes gegen die Grundsätze der Partei“. Inzwischen ist das Verfahren beschlossene Sache. Thema abgeräumt?

Der Anlass der Aufregung ist brisant: Springers AfD-Kollegen hatten am Montag auf kommunaler Ebene zwei Fraktionsgemeinschaften gegründet – und zwar mit der rechtsextremen Kleinpartei Die Heimat, früher NPD. Künftig werde man in der Stadt Lauchhammer und im Kreistag des Oberspreewald-Lausitz-Kreises zusammenarbeiten, hieß es in einer Mitteilung der Heimat. Deren Vize-Landeschef Thomas Gürtler schwärmte gar von einem „Meilenstein“ und dem „Beginn einer größeren Bewegung“. Außerdem dankte er AfD-Chef Tino Chrupalla, für den es keine kommunalen Brandmauern gebe.

Das war arg dick aufgetragen und klang auch deshalb nach Dammbruch. Die NPD-Nachfolgepartei steht auf den Unvereinbarkeitsliste der AfD, eine Zusammenarbeit ist also bisher tabu. Zwar ist die Liste in der AfD umstritten, gerade der völkischer Teil hält wenig von Abgrenzungen. Dass es besonders im Osten Querverbindungen zwischen AfD, Heimat und anderen Radikal-Gruppen gibt, ist außerdem kein Geheimnis. Aber eine offene Kooperation?

Brandenburgs AfD, laut Verfassungsschutz selbst ein rechtsextremer Verdachtsfall, will das als Einzelaktion der drei Mandatsträger verstanden wissen. Tatsache ist: Im Kreistag Oberspreewald-Lausitz ist die AfD seit der jüngsten Kommunalwahl mit 16 von 50 Sitzen vertreten – „lediglich“ zwei davon wollen nun mit Heimat-Vize Gürtler die neue Fraktion „Heimat und Zukunft“ bilden. Die gleiche Konstellation plus ein weiterer AfD-Mann arbeiten künftig im Stadtrat von Lauchhammer zusammen. Gegen den Namen „AfDplus“ will Brandenburgs AfD allerdings klagen.

Auf anderer Ebene scheint die Partei indes offen für eine Zusammenarbeit mit radikalsten Kräften zu sein. Wie die „Zeit“ berichtet, plant die Delegation im EU-Parlament die Schaffung einer neuen Fraktion unter dem Namen „Die Souveränisten“. Angeblich sei die Gründung für Donnerstag vorgesehen gewesen, auch ein Raum war demnach schon gemietet. Die AfD-Parteispitze dementierte den Zeitpunkt, nicht aber das Vorhaben an sich.

Die AfD-Delegation steht vor einer kniffligen Wahl: Nach den Skandalen um ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah hat sie vorerst keine Chance, in die rechtsextreme ID-Fraktion zurückzukehren, der sie bisher angehörte. Krah selbst liebäugelt schon seit Langem damit, sich mit noch radikaleren Kräften zusammenzuschließen, etwa mit der polnischen Konfederacja oder der Partei Reconquête des Islam-Hassers Éric Zemmour. Krah nennt das Konstrukt „Hooligan-Fraktion“, andere warnen vor einer rechtsextremen „Resterampe“. Die Debatte läuft derzeit heiß, in der EU-Delegation und in der Partei selbst.

Viele dürften ihrem Ärger beim Parteitag am Wochenende in Essen Luft machen. Der Umgang mit Krah, den die Parteichefs Tino Chrupalla und Alice Weidel im Wahlkampf kaltstellten, treibt vor allem Bayerns Landesverband um. Er wirft der AfD-Spitze in einem Antrag indirekt vor, einer Schmutzkampagne gegen Krah und den Listenzweiten Petr Bystron aufgesessen zu sein. Ob Chrupalla und Weidel Parteichefs bleiben, ist ungewiss. Vor allem Chrupalla, heißt es, müsse um seinen Posten bangen. MARCUS MÄCKLER

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